Wo klettern in NRW, wenn nicht in der Halle?
Langsam zeigt sich auch dieses Jahr der Frühling und damit die Sehnsucht im Freien zu Klettern. Aber was machen, wenn man wie ich im Flachland Nordrhein-Westfalen lebt?
Zum Glück ist die Kreativität der Kletterer grenzenlos und auch in diesem regnerischen Teil Deutschlands wo kein Gebirgszug weit und breit in Sicht ist, gibt es einige ausgefallene Möglichkeiten, damit wir Kletterer uns im Freien so richtig austoben können. Es lebe das Urban Climbing, der neueste und verrückteste Trend in der Kletterszene! Wer braucht schon eine Kletterhalle, wenn die ganze Stadt zur Spielwiese werden kann? Betonwände, Brücken, hohe Mauern, das einzige Limit ist unsere Fantasie!
Damit wir Kletterer unsere größte Leidenschaft weiterhin unter „sicheren“ Bedingungen genießen können, haben sich Kletterverbände echt ins Zeug gelegt um geeignete Flächen zu finden, interessante Kletterrouten zu gestalten und natürlich auch für uns zu warten. Die Kooperation mit den jeweiligen Kommunen hat es erst ermöglicht, dass diese „Urban“ Kletteranlagen in Orten mit einer besonderen historischen Bedeutung errichtet werden können. Damit kann man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen, das Urban Climbing bietet die einzigartige Möglichkeit, Freizeit und Kultur zu kombinieren. Jeder von uns kann Spaß beim Klettern haben und dabei auch gleichzeitig schöne und nicht so „kommerzielle“ Sehenswürdigkeiten besuchen. Diese kulturträchtigen Klettergebiete haben auch einiges an interessanter lokaler Geschichte zu erzählen. Deswegen haben wir diesen Blogeintrag auch mit etwas Kultur gestreut um euch auch etwas Hintergrundwissen über die Gebiete zu geben.
Wir haben für euch jede Ecke in Nordrhein-Westfalen besucht und stellen euch unser drei Lieblings Urban Climbing Spots vor. Eingechalkt und los geht’s in NRW.
KÖLN, HOHENZOLLERNBRÜCKE
Klettern an einem historischen Baudenkmal mit Blick auf den Kölner Dom? Ja, das ist tatsächlich möglich ohne das euch die Polizei abführt und noch dazu gratis! Diese einmalige Gelegenheit wird seit dem Jahr 1998 vom Kölner Alpenverein gemeinsam mit der Stadt Köln an der Hohenzollernbrücke angeboten. Das Klettern an der Anlage ist von Mai bis Oktober bei Tageslicht erlaubt, nicht DAV-Mitglieder müssen/sollen sich aber vor dem Klettern in einer Liste bei der Sektionsgeschäftsstelle auf der Clemensstrasse eintragen.
Einmal auf der Hohenzollernbrücke kann der Klettergarten am östlichen Brückenkopf gefunden werden. Klein aber fein, bietet er ca. 70 Routen in senkrechten und überhängenden Sektoren. Die Routen sind bis zu 10 Meter hoch und bewegen sich vom 4. bis zum 8. Schwierigkeitsgrad. Die Sicherung erfolgt ausschließlich in Toprope. Damit ist das Gebiet besonders für Anfänger und Felsneulinge geeignet, um die ersten Outdoorerfahrungen zu sammeln.
Die Hohenzollernbrücke wurde Anfang 1900 durch Kaiser Wilhelm II eingeweiht. Vier Reiterdenkmale flankieren jeweils die vier Brückenrampen, welche die preußischen Könige und den deutschen Kaiser der Hohenzollern-Familie König Friedrich Wilhelm IV, Kaiser Wilhelm I, Kaiser Friedrich III sowie Kaiser Wilhelm II darstellen. 1945 wurde die Brücke durch die Wehrmacht gesprengt, als sie sich von den amerikanischen Truppen zurückzog. Nach dem Wiederaufbau ist die Hohenzollernbrücke mittlerweile eine der meistbefahrenen Eisenbahnbrücke Deutschlands geworden.
Die Kletteranlage ist bei gutem Wetter am Wochenende oder nach dem Feierabend sehr beliebt. Sie befindet sich mitten in Köln und ist nur wenige Gehminuten vom Dom entfernt. Und wer kann nach dem Klettern schon „Nein“ zu einer Runde Kölsch-Bier in der Innenstadt sagen? So kann man den Tag gemütlich ausklingeln lassen und eine leckere Belohnung nach der sportlichen Anstrengung genießen. Weitere Informationen zur Kletteranlage an der Hohenzollernbrücke können dem Kletterführer Hohenzollernbrücke entnommen werden.
DUISBURG, LANDSCHAFTSPARK DUISBURG NORD
Langweilt euch das Klettern auf einer Brücke bereits? Seid Ihr auf der Suche nach der ultimativen Urban Kletteranlage? Wir können vielleicht aushelfen, der Landschaftspark Duisburg Nord bietet die außergewöhnlichste Anlage NRWs und den größten Outdoor Klettergarten Deutschlands. Was nach englischem Landschaftsgarten klingt, ist ein ehemaliges Thyssen Stahlwerk, wie es noch viele hier im Ruhrgebiet gibt. 1989 wurde die Anlage Teil einer internationalen Bauaustellung mit dem Ziel, die postindustrielle Stadtlandschaft zu rekultivieren. So entstand die Idee, die existierenden Bauwerke in ein Freilichtmuseum umzugestalten. Das ehemalige Stahlwerk ist jetzt ein Denkmal und Teil der Europäischen Route der Industriekultur. Ihr findet hier ein Besucherzentrum, eine Aussichtsplattform auf dem Hochofen 5, sowie eine überdachte Tribüne welche als Sommerkino fungiert. Dazu gibt es auch noch eine biologische Station und die gesamte Anlage wurde rundherum mit einen riesigen Park aufgehübscht.
Für uns Kletterer ist allerdings der nördliche Teil der Anlage interessant. Die Sektion Duisburg des Alpenvereines hat ganze Arbeit geleistet und hier eine ikonische Kletteranlage erschlossen, die sich in sechs verschiedenen Sektoren unterteilt. Mit ca. 400 Kletterrouten vom 2. bis zum 9. Schwierigkeitsgrad ist für jeden etwas dabei. Die Wände sind maximal 12 Meter hoch und ausschließlich in Vorstieg zu begehen, wieder interessant für Anfänger die sich ans Seilklettern rantasten wollen.


TIPP: Der folgende Link führt euch zu einer vollständigen TOPO.
Das Großanteil des Klettergartens befindet sich in dem ehemaligen Erzvorratsbunker. Steile Betonwände und -türme mit unterschiedlicher Neigung bieten hier abwechslungsreiche Kletterstylen. Wer sich allerdings wie in einer Kletterhalle fühlen möchte, dem empfehlen wir das ehemalige Hüttenwerk, im Sektor Nordparkhütte. Es wird dort nicht direkt auf Beton geklettert, sondern auf aufgeschraubten Kunststoff-Griffen und -Tritten. Die Wände an der Nordparkhütte sind gerade und der Sektor ist komplett überdacht. Interessant, für die Spidermans unter uns, das Dach ist ebenfalls kletterbar. So kann man hier auch Vollgas geben, wenn es draußen stürmt und regnet. Für Kinder gibt es einen eigenen kleinen Boulderbereich, der mit ca. 100 Meter Fläche das gesamte Kletterangebot abrundet. Also auch ideal für einen Familienausflug.
Nordrhein-Westfalen hat noch einen Rekord zu bieten. Der längste außeralpine Klettersteig nördlich der Alpen befindet sich genau hier, im Landschaftspark Duisburg Nord. Der Klettersteig „Via Ferrata Monte Thysso“ ist eine anspruchsvolle Route, die über ein 450 Meter langes Stahlseil verläuft. Berggefühl wird hier garantiert! Verschiedene Strukturen wie Hängebrücke, Leitern, Steigbaum und ein ausgesetzter Grat erinnern an die Eigenschaften von alpinen Klettersteigen. Ideal für alle welche sich schon immer einmal für Klettersteige interessiert haben.


Der „Monte Thysso“ bietet die Schwierigkeitsstufen von A-E. Die teilweise sehr schweren Abschnitte können umgangen oder ausgelassen werden, da sie von der originalen Klettersteigführung als Bypass ausgelegt wurden.
Aber wir sind noch nicht fertig, es gibt noch mehr zu entdecken und zwar etwas ganz Besonderes: eine Drytooling-Anlage! Eisklettern ist hier im Nordwesten Deutschlands überhaupt nicht möglich und der nächstgelegene Eisfall liegt mindestens 800 km weit entfernt. In der Drytooling-Anlage hat man die Möglichkeit, Spaltenbergungen zu trainieren und das Klettern mit Steigeisen und Eispickel zu üben. Das Schlagen mit den Eisgeräten ist ausdrücklich erlaubt! Zur Anlage zählen insgesamt 25 Routen auf Fels- und halbierten Baumstämme auf einer Fläche von 250 m². Ein frei hängender Holzbalken mit Klettergriffen erlaubt, die „Figure 4“ zu trainieren, während an einer kleinen überhängenden Wand reine Drytoolingsrouten mit den besonderen Mikroleisten für Eispickel zur Verfügung stehen. Last but not least bietet die Drytooling-Anlage auch eine 7 Meter hohe Bühne, die speziell für Bergrettungsübungen konzipiert wurde. Sie ermöglicht es einen Mannschaftszug zu Übungszwecken zu bauen.
Die Duisburger Alpinsektion hat im Landschaftspark Duisburg Nord eine Geschäftsstelle. Mitglieder der Sektion Duisburg können die gesamte Kletteranlage kostenfrei nutzen. Nicht-Mitglieder können die Eintrittskarten direkt in der Geschäftsstelle erhalten. Zahlreiche Kletter- und Alpinausbildungen werden das ganze Jahr über vom Alpenverein angeboten und finden in der Kletteranlage statt. Klettersteig- und Eiskletterkurse sind ebenfalls dabei. Kletterveranstaltungen werden auch für Schulen und Gruppen organisiert, Touristen und Anfänger – speziell Kinder – können von den angebotenen Schnupperkursen profitieren.
Der Landschaftspark Duisburg Nord ist täglich und rund um die Uhr geöffnet. Nach dem Klettern kann man den Tag noch so richtig schön ausklingen lassen, z.B. mit dem Besuch einer Ausstellung im multifunktionalen Komplex oder einfach nur mit einer köstlichen Kleinigkeit im Restaurant. An einigen Stellen wurden auch Grillplätze aufgestellt, damit Ihr den Abend unter freiem Himmel so richtig genießen könnt.
MEHR INFORMATIONEN: Wikipedia, DAV-Duisburg & Landschaftspark.
TEUTO-KLETTERPARK, DETMOND
Was aber, wenn die ganze Familie Spaß, Abenteuer und Bewegung im Freien sucht? Das Verlangen der Erwachsenen sollte berücksichtigt werden, allerdings ohne darauf auf die Kleinen unter uns zu vergessen. Auch in NRW gibt es einen Ort für die ganze kletteraffine Familie, die sich wieder einmal so richtig wie die Affen austoben will.
Dieses Mal geht es etwas weiter Richtung Norden, und zwar nach Lippe. Zwischen Dortmund und Hannover gelegen, zählt der Kreis Lippe mit jährlich über 2 Millionen Übernachtungen zu einem der größten touristischen und kulturellen Zentren NRWs. Unter diesen Touristen kommen über 500.000 Besucher alleine, um das Hermannsdenkmal einmal zu erleben. 1875 errichtet und mit einer Gesamthöhe von 53,46 Meter ist das Hermannsdenkmal die höchste Statue Deutschlands. Hermann, oder genauer gesagt Arminius, ist ein Symbol für das Deutsche nationale Selbstbewusstsein. Ihm gelang es im Jahr 9. n. Chr. vier germanische Stämme zu vereinen und damit die römischen Legionen zu schlagen. Aufgrund dieser Niederlage zogen sich die Römer aus dem Gebiet zurück und Dank Hermann wurde das Land Lippe nicht romanisiert. Es führt ein historischer und ein archäologischer Weg zum Denkmal. Dort angekommen kann man eine 360-Grad-Fernsicht über Lippe genießen. Verschiedene Hinweistafeln informieren dabei über die Geschichte und Besonderheiten Hermanns und Lippe. Für die Neugierige bieten geführte Führungen die Möglichkeit, sogar einen Blick in das Statue-innere zu werfen.
Aber halt, was hat das Ganze eigentlich noch mit Klettern und der Familie zu tun? Am Fuße des Denkmals liegt der Teuto-Kletterpark, einer der ersten und bekanntesten Waldkletterparks in Deutschland. Im herrlichen Buchenwald an der Grotenburg gelegen, bietet dieser wunderschöne Klettergarten schon seit mehr als 10 Jahre Spaß für Groß und Klein. Mehr als 80 verschiedene Kletterstationen erwarten sowohl Kletteranfänger als auch erfahrene Profis. Sie sind in sechs verschiedenen Parcours mit unterschiedlicher Höhe (5 bis 14 Meter) verteilt, sodass wirklich für jeden etwas dabei ist. Es werden sogar regelmäßig Nachtkletter-Events organisiert, dabei kann man den Kletterpack mit der Stirnlampe erkunden, was den Nervenkitzel noch zusätzlich hebt.
Beim Teuto-Kletterpark hat man auch an die ganz Kleinen gedacht: drei Bambini-Parcours mit bis zu 2,5 Meter stehen Kindern ab 4 Jahre zur Verfügung um die ersten Klettererfahrungen zu sammeln. Diese besonderen Parcours haben eine geringe Greifhöhe und sind mit einem speziellen Sicherungssystem ausgestattet, um maximalen Spaß mit minimalem Risiko zu kombinieren. Für den kleinen Hunger nach dem Klettern oder zwischendurch ist auch gesorgt. Der Kletterpark hat eine Verkaufsstelle mit Getränke und Snacks. Verschiedenste Restaurants, u. a. Biergarten und Bistros kann man auch rundherum um das Hermannsdenkmal finden.
Möchtet Ihr euren Tag noch mit einer kulinarishen Krönung ausklingen lassen, kein Problem. Leckere Angebote wie Catering mit Grillbuffet und Lagerfeuer oder auch einen Speiseplan nach Wunsch können ganz einfach bestellt und entspannt unter freiem Himmel genossen werden. Und nicht nur Klettern bietet der Teuto-Kletterpark. Geocatching, Bogenschießen-Turnier und Erlebniswanderungen werden auch auf Anfrage von den erfahrenen Betreibern organisiert.
Die Anlage am Teuto-Kletterpark kann auch für Gruppenevents, Kindergeburtstage und Trainingsmaßnahmen sowie Industrieklettern reserviert werden. Egal ob Teambuilding, Jubiläum oder Familienfeier, jede Veranstaltung wird individuell und maßgeschnitten geplant und professionell von den spezialisierten Outdoor-Organisatoren durchgeführt.
Also für alle, welche einmal ein etwas anderes Klettern kennen lernen wollen, bietet der Klettepark in Lippe genau das richtige.
MEHR INFORMATIONEN: Das Hermannsdenkmal & Interakteam.

Steckbrief – Claudia
Ich bin Physiotherapeutin, Asien-Liebhaberin und eine etwas seltsame Kletterin. Ich komme ursprünglich aus Italien – genauer gesagt 138 Km von Arco entfernt – war dort aber noch nie klettern. Wenn ich draußen in der freien Natur bin, dann bevorzuge ich andere Aktivitäten wie Wandern, Laufen und Skifahren. Künstliche Kletterwände – je steiler, desto besser – sind dafür aber meine große Kletterleidenschaft. Ich kenne jede Kletterhalle in der Umgebung und wenn ich meinen Urlaub plane, achte ich immer darauf, dass es dort auch eine Kletterhalle gibt – Ihr findet mich dort auf jedem Fall!