A girls-rock climbing-trip
Nachdem wir letztes Jahr zu viert bereits Mallorca mit deepwatern und dem Zerstören diverser Hotel-Hüpfburgen unsicher gemacht haben, war recht früh klar: “Ein weiterer Girls-Trip muss her”. Die vier Protagonistinnen sind, wie bereits auf Mallorca: Annette, Andrea, Anna (die Zwillings-Schwester von Andrea) und meine Wenigkeit. Zu viert ein Ziel, oder eine Reiseroute zu finden ist, wie man sich vorstellen kann, alles andere als leicht. Wir entschieden uns daher anhand von mehreren Kriterien unsere spätere Route auszuwählen. Vielleicht geht es dem ein oder anderen Leser ähnlich, da kann ich nur empfehlen, setzt euch zusammen und schreibt auf, welche Kriterien für eure Reise besonders wichtig sind. Anhand dieser Kriterien könnt ihr deutlich leichter ein Ziel auswählen und entsprechend alle Anregungen und Wünsche berücksichtigen.
Für uns haben wir uns folgende Kriterien zusammengestellt:
- mit dem Auto komfortabel erreichbar
- leichte Mehrseillängenrouten (Routen im 5ten / 6ten Franzosengrad)
- wenig Tourismus
- Verdon (als eines unserer Hauptziele)
- Möglichkeit, den ein oder anderen Tag auch mit Sportklettern zu verbringen
Auf Empfehlung eines Freundes (danke Hannes!) kam Briancon als erste Anlaufstelle auf unseren Plan. Als zweites Ziel haben wir Orpierre ausgewählt und abschließend stand die große und beeindruckende “Gorge du Verdon” auf unserer Liste. Eigentlich war noch geplant einen Rückfahrtag in Monaco mit Sportklettern zu verbringen. Aber aus zeitlichen Gründen fiel das flach und wir verbrachten stattdessen noch drei Tage in Arco.


Eine richtige Planung muss her
Briancon
Nach knapp neun Stunden Fahrzeit erreichten wir unser erstes Ziel, Briancon. Google meint, dass man diese Strecke in sieben bis acht Stunden fährt. Da Google meines Wissens keine Pinkelpausen mit einrechnet, waren wir mit unseren neun Stunden ganz zufrieden. Über die kurvigen und beeindruckenden Straßen des Montgenevre erreicht man ca. 15 Kilometer nach der französisch-italienischen Grenze die kleine Stadt und ihre zahlreichen Klettergebiete. Die über 70 verschiedenen Klettersektoren verteilen sich dabei großflächig rund um Briancon.
Da es bei vier Mädels samt Kletter- und sonstiger „Mädchenausrüstung” schwierig wird im VW Caddy zu schlafen, haben wir uns für Apartments/Pensionen entschieden. Wir hatten Glück, in unserer Pension “auberge de l‘impossible” Jimmy zu treffen. Angesichts seiner Hände war eigentlich klar: Jimmy ist ein Kletterer. Nach wenigen Sätzen gab er uns bereits die ersten Tipps und Informationen über die örtlichen Gebiete. Unser erstes Ziel war eine kurze Mehrseillängenroute am Pfeiler “Laus de Cervières”. Aufpassen! Im April/Mai kann dort durchaus noch einiges an Schnee liegen. Auch wir wurden von den Schneemassen überrascht und nachdem wir mehrmals bis zur Hüfte eingesunken sind – haben wir letztendlich abgebrochen und uns fürs Sportklettern entschieden.
“Les Traverses et la Vignette”
„Les Traverses et la Vignette” – so hieß die uns empfohlene Anlaufstelle für unseren Start mit Sportklettern. Das Gebiet ist mit dem Auto super zu erreichen, mit einem Parkplatz nah am Klettergebiet. Vom unteren Sektor hat man freie Sicht auf das Auto, was uns aufgrund einiger Horrorgeschichten in Bezug auf aufgebrochene Autos mehr als sympathisch war. Der Sektor umfasst ca. 100 Touren, welche sich auf sieben kleinere Sektoren verteilen. Die sieben Sektoren dürften mit Schwierigkeiten von 3b bis 8b+ für so ziemlich jeden etwas bieten. Im Sektor 1, „Les nains”, finden sich sieben Touren im Bereich von 3b bis 5b. Im zweiten Sektor, „Initiation”, bieten sich 18 Touren zur Auswahl. Sie bewegen sich zwischen 4b und 6c. Die Felsstruktur im rechten Bereich des Sektors ist einmalig. Der Sektor 3, „Jonathan”, glänzt mit 21 Touren überwiegend im oberen 6. und 7. Grad. Die schwerste Tour ist „Le Goêland” (8a). Unterhalb der Straße befindet sich der vierte Sektor, „Lézaroïde”. Auch hier findet sich eine Auswahl bis 7a. Der Sektor 5, ebenfalls „Initiation”, bietet lediglich eine 4c und drei 5c. Viel lohnender für starke Kletterer ist dagegen der sechste Sektor, „Tutti-frutti”, mit 14 Routen in einer ca. 30 Meter hohen Südwestwand ab 5c, überwiegend im 7. Franzosengrad. Die derzeit schwierigste Tour findet sich im Sektor 7, „L’omelette héroïque” (8b+).
Im April liegt das Gebiet von 7 Uhr morgens bis ca. 17 Uhr in der Sonne. Die Kletterei ist super, in Kalk und Gneis, mit mehr als angenehmer Absicherung an Klebehaken. Wie in Frankreich üblich, muss an den Ständen umgebaut werden. Die Stände sind durch die Bank super und immer mit jeweils zwei Fixpunkten und einer Kette verbunden. Top!
“Laus de Cervières” (Pfeiler)
Der Pfeiler ist ein Quarzit mit weniger als 10 Routen und ca. 80 Metern Höhe. Die Touren bewegen sich zwischen 6a und 6c. Wie oben bereits erwähnt, kann es aufgrund der Höhe von über 1800 Metern auch im Frühjahr noch zu größeren Schneemengen im Zustieg kommen. Ist der Weg schneefrei, steigt man ca. 20 Minuten zu.
Routen in Briancon Fahrzeit von Kufstein Appartment/Campingplatz Climbing-Guide
unzählige Routen im ca. 9 Stunden Auberge de l‘impossible Briancon Climbs (34 €)
Großraum Briacon in (sauber und sehr freundlich)
allen Schwierigkeitsgraden
Abbruch wegen Untergang im Schnee

Routen in Briancon
unzählige Routen im Großraum Briacon in allen Schwierigkeitsgraden (3b – 8b+)

Fahrzeit von Kufstein
ca.9 Stunden

Apartment/Camping
Auberge de l‘impossible (sauber und sehr freundlich)

Climbing-Guide
Briancon Climbs (34 €)
Orpierre
Zwei Tage später ging es für uns mit einer zweistündigen Fahrt weiter südwestlich, Richtung Orpierre. Will man Orpierre in einem Wort beschreiben, trifft es für mich am besten – malerisch. Durch meine zwei Aufenthalte im letzten und vorletzten Jahr war mir Orpierre bereits bekannt. Als Unterkunftsmöglichkeit gibt es neben dem Campingplatz nur wenig Alternativen. Das macht aber nichts und macht den Aufenthalt nicht minder empfehlenswert. Wir haben uns für eine Art Bungalow am oberen Ende des Campingplatzes entschieden. Durch die terrassenförmige Gestaltung des Platzes hatten wir einen wunderbaren Blick über Orpierre und die gegenüberliegenden Klettersektoren.

Den Campingplatz findet ihr unter dem Namen „Camping princess d‘orange”. Für unseren Bungalow haben wir pro Nacht ca. 70 € bezahlt. Dafür erhält man WC, Bad (im Bungalow), Schlafzimmer, Küche inkl. Kaffeemaschine und Mikrowelle sowie eine kleine Terrasse mit Blick über Orpierre.
Nach 15 Minuten Fußmarsch gelangt man direkt ins Ortszentrum, wobei der kleine Stadtplatz kaum als Zentrum wahrgenommen wird. Auf dem Weg dorthin liegt ein Supermarkt, wo alle Lebensmittel für den alltäglichen Bedarf gekauft werden können. Im Supermarkt gibt es noch eine kleine Boulangerie (Bäckerei) und eine Abteilung mit frischem Obst und Gemüse. Neben zwei kleineren Bars und Pizzerien – der Klassiker bleibt für uns die Pizzeria Quartz III – findet ihr einen Klettershop. Dort gibt es Kleidung, Gear und natürlich den aktuellen Kletterführer zu kaufen.

Das malerische Orpierre
Die Kalkfelsen rund um das Dorf unterteilen sich zum überwiegenden Teil in drei Hauptsektoren:
Sektor “Le Puy”
Le Puy und das schmale Sicherungsband sind in jedem Fall einen Besuch wert. In der relativ hohen Wand finden sich ca. 20 Routen. Geklettert wird an einem perfekt abgesicherten 40 Meter hohen Garten auf halber Wandhöhe. Die Kletterei unterteilt sich dabei in zwei Seillängen. Die ersten Seillängen finden sich in leicht überhängender Wandkletterei im Bereich von 5c – 7a. In den zweiten Längen gehts deutlich schwerer zur Sache. Die leichteste Verlängerung beginnt bei 7b, die Schwerste ist mit 8a bewertet.
Sektor „Chateu”
Der markanteste und größte Sektor ist „Chateu“. Er baut sich wie eine große steinerne Welle oberhalb des kleinen Ortes auf. Von leichten Plattenklettereien, bis hin zu schweren und weit überhängenden Dächern, findet ihr die volle Bandbreite. An vielen Schulen Frankreichs wird Klettern als Sportwahlfach angeboten, weshalb Orpierre gerne und häufig von ganzen Schulklassen besucht wird. Dementsprechend sollte an den Wochenende mit größeren Gruppen gerechnet werden. Der Grund, warum dieser Ort bei den Schülern und Lehrern so beliebt ist, ist mit Sicherheit die mehr als perfekte Absicherung in allen Routen rund um Orpierre. Auf einer Kletterlänge von 25 Metern kann es durchaus passieren, dass mehr als 10 Expressschlingen benötigt werden.
Im zentralen Teil des Sektors finden sich die großen Überhänge, durch die zentral die aktuell schwerste Route des Gebietes „Mission Impossible“ (8c) verläuft. Neben dieser High-End- Route finden sich noch ca. 10 weitere Routen im 8ten Franzosengrad. Eine riesige Auswahl gibt es im Bereich 6b bis 7c zu klettern.
Quiquillon
Die bis zu 250 Meter hohen Wände des Quiquillon thronen über dem gesamten Ort und seinen niedriger gelegenen Sportklettersektoren. Den Zustieg schafft man in gemütlichen 30 Minuten. Die Routen am kleinen Nachbar Ascle erreicht man in ca. 45 Minuten und in 30 Minuten vom oberen beschilderten Parkplatz. Lohnend und durchwegs perfekt abgesichert sind alle Routen am Quiquillon und Ascle. Die leichtesten beginnen im 4ten Franzosengrad, auf der stark überhängenden Nordseite gibt es auch einige Touren im 7ten Franzosengrad. Zur Absicherung wird nichts weiter außer 14 Expresschlingen benötigt.

Beim Standbauen im Sektor Quiquillon (Route: Brazil)

Routen in Orpierre
ca. 500 Routen Ein- und Mehrseillängen

Fahrzeit von Kufstein
ca.10-11 Stunden

Apartment/Camping
Camping princess d‘orange

Climbing-Guide
Orpierre (ca. 30 €)
Verdon
Mitte der 1980er war die Verdonschlucht verbunden mit den großen Namen der damaligen Kletterszene: Patrick Edlinger, Patrick Berhault, Wolfgang Güllich und auch Jerry Moffat hinterließen in der – je nach Betrachtung – teilweise über 700 Meter hohen oder tiefen Schlucht ihre Spuren.

Die Schlucht von Verdon
Der „Run“ auf die großen Wände der Verdon ist mit Sicherheit vorbei, was nicht bedeutet, dass ein Besuch nicht lohnend wäre. Gut, der Einstieg beginnt in fast allen Routen etwas gewöhnungsbedürftig, abseilen ist angesagt und das teilweise sehr steil und ausgesetzt. Die Kletterei ist dabei überwiegend sehr technisch. Wer auf schnelle Onsights hofft, wird sich im Vergleich zu den überhängenden und athletischen Klettereien in Spanien den ersten Dämpfer abholen. Wer die ersten Tage des „Akklimatisierens” überstanden hat, kommt in den Genuss großartiger Kletterei an plattigen bis leicht überhängenden Kalkfelsen. Die Routenauswahl reicht von schweren Technorouten bis A3 oder sogar A4, über Tradklettereien an mehreren hundert Meter langen Rissen, zu gut abgesicherten Sportklettereien im Ein- und Mehrseillängenbereich. Auch Einseillängenrouten sind am oberen Rand der Schlucht zu finden. Sie werden oft mit Topropeseilen geklettert. Die Verdon bietet für nahezu jede Spielart des Kletterns eine ordentliche Ladung an Angeboten. Für Kletterer ist der “Place to be” La Palud, mit seinen knapp 500 Einwohnern. Dort findet ihr einen Klettershop, der für 28 € den aktuellen Kletterführer, sowie das Grundsortiment an Equipment und Kleidung verkauft. Ebenfalls im Ort gibt es einige kleinere Bars.
Von La Palud führt die bei Radfahrern und Motorradfahrern sehr beliebte “Route de Cretes” direkt an den nördlichen Rand der Schlucht. Die Einstiege bzw. Abseilstände finden sich ebenfalls direkt entlang der Straße. Vorsicht, ist hier beim Abstellen der Autos geboten. Es gibt unzählige Berichte, dass die auch bei Touristen sehr beliebten Parkplätze direkt am Rand der Schlucht gerne und häufig von Autoknackern aufgesucht werden. Wir hatten bisher keine negativen Zwischenfälle, aufgebrochene Autos haben wir ebenfalls keine gesehen, aber Vorsicht ist bestimmt besser als Nachsicht. Weiter geht es direkt am Rand der Schlucht, zur “Dalles Grises”, der bekanntesten Abseilpiste der Verdon. Über sie erreicht man viele der ganz großen Verdon-Klassiker. Wir sind allerdings noch weiter nördlich zu den leichteren Sektoren weitergegangen. Den ersten Halt machten wir am Sektor “Belvedere“. Vor drei Jahren war ich hier meine erste Route in der Verdon geklettert. Dreimal wird abgeseilt und in einer Auswahl von mehreren Touren im Bereich von ca. 120 Klettermetern und Schwierigkeiten um 6a+ in guter Absicherung wieder nach oben geklettert. Dieses Mal ging es für uns noch eine Station weiter nördlich, in den Sektor “Zidane”. Dort mussten wir uns wieder dreimal bis zum Einstieg der Tour “adieu Zidane” abseilen. Die zweite Abseillänge wird im Topo von planetmountain.com mit “The second 50m abseil is an exciting rap down into the void.” beschrieben – was man sich darunter vorzustellen hat, kann sich jeder denken. Nach überstandener Abseilfahrt geht´s in fünf wunderschönen Seillängen wieder Richtung Ausstieg.
Abseilen ist Pflicht in Route “Adieu Zidane” …

Routen in Verdon
über 500 Touren in jeglicher Form überwiegend, technische Wandkletterei

Fahrzeit von Kufstein
ca.10-14 Stunden

Apartment/Camping
StundenHotel le panoramic oder Camping direkt im Ort

Climbing-Guide
Verdon 2017 (28 €)
Wir fuhren dann nach La Palud und ließen den Abend gemütlich mit einem „panachée”, übersetzt ein Buntes, oder umgangssprachlich einem Radler, ausklingen. Die Mädels waren begeistert und für uns wird es definitiv nicht die letzte Route in der Verdon gewesen sein.
stay tuned
eure Micha


Steckbrief Michaela Koller
Jahrgang: 1993
klettert seit: 2013
arbeitet: an ihrer Maximalkraft ;), mein Kaiserschmarrn-Budget verdiene ich in der Bankbranche
mag: Kaiserschmarrn, Kalkleisten, Granitleisten
mag nicht: Regen, Dunkelheit, im Rucksack vergessene Brotzeit
mag manchmal: Überhang
aufgewachsen: in Oberaudorf
kletterte: viel! Meine schönste Route: Powerplay (7b), Achleiten
boulderte: zu wenig