Wie wird man Routensetzer/in?
Teil 1: Die Basis – der Übungsleiterkurs.
Um die gesamte Geschichte rund um die große Frage dieser Blogreihe zu verstehen, müssen wir hier etwas weiter ausholen: Ja genau, wir lieben Bouldern. Und ja genau, Bouldern ist seit geraumer Zeit die große Leidenschaft, die uns verbindet. Und ja genau, wir haben die letzten Jahre auch viel Zeit mit dem gemeinsamen Training verbracht.
Bekanntlich ist heutzutage das Training wirklich extrem einfach geworden: Man fährt in den größeren Städten Österreichs in eine der perfekt vorbereiteten Boulderhallen, die derzeit praktisch überall aus dem Boden sprießen. Dass dieses Überangebot aber nicht überall verfügbar ist, zeigt unsere gemeinsame Heimat, das Waldviertel. Die notwendige Infrastruktur für zielgerichtetes Training ist dort leider entweder gar nicht oder sehr eingeschränkt verfügbar. Die logische Konsequenz war, dass wir mit steigendem Drang stärker zu werden praktisch zu „Boulder-Pendlern“ wurden, die mehrmals die Woche nach Wien oder Linz zum Training gefahren sind.
Dieser Zustand war für gewisse Zeit zwar verkraftbar, aber keine dauerhafte Lösung. Etwas Neues musste her. Warum also nicht einfach selbst einen Boulderbereich bauen? Gesagt – getan. Somit haben wir uns dazu entschieden, aus einem kleinen „Kammerl“, wo Griffe, Leisten, Tritte, Aufleger etc. doch noch recht planlos verteilt waren, in den Dachstuhl eines unserer Elternhäuser umzuziehen und dort eine eigene Kletterwand zu bauen. Sollte sich nun jemand die Frage stellen, welches Knowhow zum Bau so einer Wand notwendig ist, dann bitte nicht aufhören weiterzulesen.
Wie baut man eine Boulderwand?
Die allererste Aufgabe ist es, einen geeigneten Ort für die Boulderwand zu finden. Grundsätzlich könnte man überall eine Kletterwand aufziehen, jedoch erleichtert es das Leben immens, wenn man eine bereits gegebene Grundstruktur nutzt. Wie oben erwähnt bietet sich wie in unserem Fall idealerweise ein Dachstuhl, aber auch ein Kellergewölbe oder Ähnliches an, da man hier bereits eine Grundstruktur mit gewisser Schräge zur Verfügung gestellt bekommt. Als nächstes ist es wichtig, sich zumindest einen groben Bauplan zurechtzulegen, um die Materialmenge abschätzen zu können und somit das Risiko eines Baufehlers zu vermeiden (Freestyle sollte in dieser Hinsicht also vermieden werden). Wir haben uns bei unserem „Kammerl“ beispielsweise von einer Wiener Boulderhalle inspirieren lassen und versucht, deren Wettkampfwand nachzubauen. Steht der Bauplan, dann ist man bereit das Material anzuschaffen. In unserem Fall waren das: handelsübliche OSB-3-Verlegeplatten mit Nut und Feder, Kantholz unterschiedlicher Stärken, Dachlatten, haufenweise Schrauben von 50 bis 120 mm Länge und Einschlagmuttern. Ein weiterer entscheidender Punkt: Das richtige Werkzeug! Handkreissäge, Kreissäge, Akku-Bohrschrauber (bestenfalls mit mehreren geladenen Akkus) und Schlagbohrmaschine mit Holz- und Stahlbeton-Bohrer (für die ganz groben Sachen) sind sehr zu empfehlen. Sollte man diese Gerätschaften nicht zur Verfügung haben, dann gibt es im Normalfall in fast jedem Baumarkt die Möglichkeit, sich diese auszuleihen. Ist man übrigens nicht so bewandert mit dem Umgang von solchen Werkzeugen, dann ist es äußerst hilfreich einen Fachmann/Fachfrau um Hilfe zu bitten – an dieser Stelle nochmals ein großes Dankeschön an Christophs Papa! Mit der entsprechenden Grundausstattung beginnt der Bau des Grundgerüstes, auf welches anschließend die OSB-Verlegeplatten montiert werden. Essenziell ist das sehr sorgfältige Ablesen und Einstellen der richtigen Winkel auf der Kreissäge beim Zuschneiden der Verlegeplatten, da man sonst schnell in Teufels Küche geraten kann und plötzlich die Einzelteile nicht mehr zusammenpassen.
Steht das Grundgerüst (zu sehen im Bild), dann fährt man mit der Verschraubung der Platten fort. Vorher müssen allerdings noch haufenweise Löcher gebohrt werden um die Einschlagmuttern zu montieren. Diese werden benötigt, um später die Klettergriffe befestigen zu können. Am besten man überlegt sich dazu ein sinnvolles Raster, um die Möglichkeit zu haben die Griffe nach Belieben zu variieren. Wir haben uns damals für einen Lochabstand von ca. 20 cm entschieden. Sind alle Platten ordnungsgemäß montiert, kann man sich zufrieden zurücklehnen und den Umstand genießen, dass man nun stolzer Besitzer einer eigenen Kletterwand ist.

Lasset die Spiele beginnen
Diese Wand mit einer Größe von 7 m Breite und 5 m Höhe inklusive 45° Systemwand bot nun eine extrem große Spielwiese zum Austoben und: dem Routensetzen. Nach der ersten Großbestellung von Klettergriffen konnte es auch schon losgehen mit dem Schrauben und Projektieren der selbst definierten Routen. Schnell wurde uns klar, dass dieser Prozess fast mehr Spaß machte, als sie im Anschluss erfolgreich durchzusteigen. Die Ideen gingen uns bisher nicht aus, aber schnell drang sich die alles entscheidende Frage auf: wie wird man eigentlich Routensetzer und was muss man dafür tun?
Das Internet hatte wie immer eine Antwort: die Naturfreunde-Akademie Österreich bildet interessierte Kletterer zu Routenbauern aus. Diese Fortbildung soll den richtigen Bau von Boulder für allgemeine und spezielle Klettertechniken und Trainingszwecke unter der kreativen Verwendung von Griffen, Strukturen, Volumen & Wandneigungen schulen. Perfekt! Das ist genau das, was wir gesucht hatten. Einen kleinen „Haken“ hat das Angebot allerdings: Teilnahmevoraussetzung ist eine „Kletterspezifische Ausbildung“, sprich eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum „Übungsleiter Bouldern“. Die Entscheidung über eine Teilnahme war innerhalb von Sekunden getroffen und wenig später flatterte auch schon die Anmeldebestätigung für den Übungsleiterkurs der Naturfreunde-Akademie in unser Emailpostfach.
Start der Übungsleiter-Ausbildung in der Boulderbar Salzburg
Topfit, topmotiviert und bei strahlendem Sonnenschein starteten dann 9 TeilnehmerInnen in die 3-tägige Ausbildung, die inhaltlich zwar vergleichbar mit dem „Übungsleiter Sportklettern“ ist, jedoch auf die speziellen Anforderungen moderner Boulderhallen ausgerichtet. Grob konnte der Kurs in folgende Kursinhalte aufgeteilt werden:

Sicherheitsaspekte Indoor & rechtliche Grundlagen
Besonders bei Boulderkursen muss die Sicherheit der TeilnehmerInnen zu jederzeit gegeben sein. Im Kurs wurde deshalb von Beginn an großer Wert auf sichere Rahmenbedingungen mit der Gruppe gelegt und immer wieder auf deren Einhaltung hingewiesen. Wichtig sind besonders:
- Sturzraum freihalten: Am Boden und an der Wand auf freien Sturzraum achten. Nicht übereinander klettern!
- Sicher bouldern: Achte auf einen sicheren Absprungbereich. Aktives Spotten und ein Crashpad bzw. Absprungmatten können Verletzungen verhindern.
- Trage keinen Schmuck: Dinge an deinem Körper, die Verletzungspotenzial bergen, sollten vor der Kletteraktivität abgelegt werden.
- Essenziell – das Aufwärmen: Das Klettern funktioniert besser, wenn der Körper auf die spezielle Belastung von Kletter-Zügen vorbereitet ist. Die richtige Aktivierung, Mobilisierung, Kräftigung & Sensibilisierung der Muskulatur sowie mentale Vorbereitung auf die Kletteraktivität sind hier die Schlüssel.
Besonders interessant war der Umstand, dass auch die gesetzlichen Regelungen von Kletterkursen sowie die Rechte und Pflichten gegenüber KursteilnehmerInnen sehr detailliert angesprochen wurden. Dies macht bei genauer Betrachtung absolut Sinn, denn besonders bei einem Risikosport wie dem Bouldern kann es bei Verletzungen sehr schnell zu Haftungsfragen kommen, die nicht immer gut für KursleiterInnen ausgehen können. Dies war eine notwendige Sensibilisierungsmaßnahme, die uns die Augen geöffnet hat, welche Verantwortung bei der Durchführung eines Kletterkurses auf den Schultern des/der Kursleiters/Kursleiterin liegt.

Aufbau und Konzeption von Boulderkursen
Bei einem logischen und möglichst effektiven Aufbau sollten immer eine Reihe von Grundprämissen eingehalten werden. Die KursteilnehmerInnen sollen Übungen durchführen, die sie von einfachem Klettern zu immer schwierigeren Aufgaben bringen – und dabei ist es wichtig, dass diese besonders am Beginn möglichst erfolgreich für die TeilnehmerInnen ausgehen. Wichtig: Es soll immer Spaß machen! Zu bedenken ist auch, dass die TeilnehmerInnen vom Bekannten (durch Wiederholungen) zu unbekannten Themengebieten geführt und diese in fordernde, aber nicht überfordernde Übungen verpackt werden. Genau bei solchen Herausforderungen ist es notwendig, sich auf die Grundlagenausdauer und Wiederholungzahl zu fokussieren, anstatt auf hohe Intensität und Maximalkraft zu achten. Außerdem passt nicht jede Übung zu jeder Zielgruppe (Kinder, Jugendliche, Erwachsene etc.) – dies muss im Vorfeld genau durchdacht werden. Integraler Bestandteil der Vorbereitung von Kursen ist außerdem die Erstellung eines genauen Stundenbildes. Dieser Leitfaden dient den KursleiterInnen als Hilfsmittel, während des Kurses nicht den Faden zu verlieren.
Spezielles Techniktraining & Bewegungslehre
Jeder von uns klettert nach ein paar Jahren Erfahrung oft „einfach drauf los“ und denkt nicht immer darüber nach, dass eine minimale Bewegungsveränderung oder Positionsanpassung den Unterschied über Durchstieg oder Abwurf ausmachen kann. Als ÜbungsleiterIn muss man es schaffen, durch die richtige Bewegungslehre, gezielte Erklärungen und das korrekte Vorklettern vor SchülerInnen die richtigen Bewegungen zu schulen und – wenn notwendig – auch falsche zu korrigieren. Der Übungsleiterkurs legte ganz besonderes Augenmerk darauf, das Greifen, die Körperposition, die richtige Fußtechnik und fortgeschrittenes Wissen zu Dynamik, Eindrehen und auch Schulterzügen im Detail zu durchleuchten und in ansprechende Übungen zu verpacken. À propos Techniktraining: die Erklärungen zur „Standardbewegung“ des Kletterns – Vorbereitung, Hauptphase, Nachbereitung – haben uns die Augen geöffnet, wie „schlampig“ wir zum Teil bisher geklettert sind. Angeblich soll der Übungsleiterkurs zu keiner Verbesserung des Eigenkönnens führen – wir sind mittlerweile aber anderer Meinung 😉


Verletzungsprophylaxe
Besonders beim Bouldern ist das regelmäßige Abspringen aus mehreren Metern Höhe und die teils oft „aggressiven“ Fingerpositionen (Stichwort: aufgestellte Finger) Ursache vieler Verletzungen. Dies ist nicht nur Thema bei fortgeschrittenen Kletterern, sondern besonders bei Anfängern, die falsche Bewegungsmuster von Beginn an annehmen können. Diese gilt es als ÜbungsleiterInnen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren. Ein gut trainiertes Auge hilft hier ungemein, welches im Kurs viele Male durch absichtlich falsches „Vorklettern“ geschult wurde.

Das Schmankerl: Einführung in Grundlagen des Boulderbaus
Wer von uns hat nicht schon mal davon geträumt, eine eigene Route in einer Boulderhalle schrauben zu dürfen? Dieser Traum wurde uns im Rahmen des Übungsleiters erfüllt. In Kleingruppen durften wir dann anhand von Themenschwerpunkten wie z.B. „Eindrehen“ oder „Schulterzug“ eigene Boulder in der Halle schrauben und sie auch testen lassen.
Nach 3 Tagen, 20 Stunden reiner Kletterzeit und ziemlich leeren Unterarmen konnten wir dann nach einer kurzen Prüfung – einem eigenen 20-minütigen Lehrauftritt vor Publikum – das Abschlusszertifikat voller Stolz in den Händen halten!
Kurzum: absolut bewusstseinserweiternder Kurs, der uns, obwohl initial gar nicht beabsichtigt, große Lust auf eigene Boulderkurse gemacht hat! Die Boulder Bros als Klettertrainer? Keine schlechte Idee! Wir freuen uns auf die nächste Etappe auf dem Weg zum Routensetzer – mehr dazu in Teil 2 von „Wie wird man Routensetzer/in?“!
Übrigens: Wer mehr über unsere Boulder-Erlebnisse erfahren möchte, sollte uns schleunigst auf Instagram folgen! -> #theboulderbros

Steckbrief – The Boulderbros
Baujahr: 1989, 1990, 1992
klettern seit: 2013, 2014, 2015
arbeiten: Beamter, Marketing, Langzeitstudent
mögen: unseren jährlichen Bouldertrip; und wenn du uns auf Instagram folgst -> #theboulderbros
mögen nicht: Leute, die mit Flipflops bouldern
mögen manchmal: andere Sportarten wie Wakeboarden, Biken, Fußball und Yoga
aufgewachsen: im wunderschönen Waldviertel (NÖ)
kletterten: leider viel zu selten; soll in Zukunft aber forciert werden
boulderten: eine 7a in Fontainebleau (unser ganzer Stolz)