Projekt: Rauf auf die große Zinne …

… oder wie man ein UNESCO Welterbe erklettert

Es waren die Bilder von dieser beeindruckenden Wand, die mich schon lange faszinierten und träumen ließen. Und der Gedanke durch diese Wand zu klettern war derart anziehend, dass ich es kaum erwarten konnte.

Im Spätsommer war es dann so weit, und wir fuhren über den Brenner, dem Abenteuer entgegen. Die Dolomiten, da wollen wir hin. Die Drei Zinnen Nordwand, da wollen wir hoch.

Ich wusste, die Schwierigkeit der Kletterei in unserer ausgewählten Route wird nicht das Problem werden. Hoffentlich wird gar nichts zum Problem werden, dachte ich mir als jemand der mit alpiner Kletterei bislang wenig am Hut hatte. Aber ein so langer Weg bis nach oben, bringt trotzdem automatisch Zweifel und Respekt mit sich. Wie sind die bestehenden Haken, wie weit die Abstände, wieviel an Friends und Klemmkeilen muss man selber legen? Ist es brüchig, vielleicht stellenweise nass? Genau diese Ungewissheit macht es zu einem Abenteuer, und wenn ich ehrlich bin, will ich genau das. Auf Bedingungen reagieren und die sich ständig ändernden Situationen mit Ruhe und Bedacht meistern – das will ich. Kühlen Kopf bewahren, auf sich bauen, sich konzentrieren, sich überlegen wie man das angeht und voll und ganz im Moment zu sein. Dazu wird man förmlich gezwungen bei einer alpinen Klettertour. Zum intensiven Sein im Moment.

Und so saßen wir nach unserer Anreise an einem Freitag Abend nach gekochter und gegessener Nudel-Mahlzeit im VW Bus auf 2000m und taten, was wir für notwendig hielten. Wir machten aus, dass ich alles vorsteigen werde, wir kalkulierten Wasser- und Essensvorräte, diskutierten über notwendige Kleidung, zählten Expressen, Klemmkeile, Friends, Bandschlingen und Schrauber und verteilten dies auf Vor- und Nachsteiger. Wir lasen Infos über Zu- und Abstieg und fotografierten das Topo mit unseren Handys, die wir beschlossen morgen beide mitzunehmen.

Samstag 03:30 nachts/morgens: Der Wecker läutet. Nicht wirklich aus dem Schlaf gerissen, da die nächtlichen Gedanken sich schon sehr dem bevorstehenden Abenteuer gewidmet hatten, stehen wir auf. Raus aus dem Schlafsack, raus aus dem Bus. Der Blick in den Sternenhimmel beim Pinkeln macht mich auch zu dieser Uhrzeit staunen. Gefühlsmäßig halten sich Vorfreude und Angespanntheit ziemlich die Waage und der Kaffee mit ein paar Bissen Frühstück unter dem sternenklaren Nachthimmel waren ein guter Start ins ungewisse Abenteuer.

Los geht‘s. Wir gehen los Richtung Osten um die Zinnen rum, bis wir auf der Nordseite dem Wandfuß entlang zum Einstieg unserer Tour kommen. Gut eine Stunde brauchen wir, mit Mond-, Sternen- und Stirnlampenlicht.

Langsam wird’s heller. Perfekt getimed und als erste Seilschaft stehen wir beim Einstieg. Ein ca. 30m hoher Vorbau leitet das Abenteuer ein. Die unter Umständen bestehenden Schlaghaken bei noch leicht düsterem Licht natürlich nicht gefunden, gestalten sich die ersten Klettermeter als ganz langsam und konzentriert. Erster Stand. Cool, fühlt sich echt gut an. Jetzt weiß ich: Es geht los.

Die Wand steilt auf und es wird immer heller, und das braucht‘s um Griffe und Tritte und vorallem die Haken zu sehen. Länge für Länge- es wird nur noch geiler. Alles gut bis dahin. Temperatur super, Aussicht Wahnsinn, Kletterei mega cool. Der Blick nach oben hält die Euphorie flach. Links drüben sehen wir eine andere Seilschaft und es wird mir klar, welche Dimensionen hier gelten. Ein Mensch in einer solchen Wand – ziemlich klein. Der Respekt bleibt und es geht weiter.

Manox_Zinnen_Nordwand_2_gekennzeichnet

Steil, leicht überhängende Wandkletterei mit Verschneidungen und Rissen. Super cool. Das Legen von Klemmkeilen und gelegentlich Friends spielt sich gut ein und kommt vorallem als Back-up bei mir schlecht erscheinenden Schlaghaken zur Anwendung. Ganz anderes Klettern als ich als eigentlicher Sportkletterer bisher gewohnt war.
Langsam und mit Bedacht. Tritt antesten, ansteigen, nächsten Griff suchen, antesten, weitergreifen, Schlaghaken suchen, begutachten, in jedem Fall einhängen, und sich des öfteren für das Legen von einem zusätzlichen Sicherungspunkt entscheiden. Ruhig bleiben, geeigneten Riss oder Loch oder Felsköpfl finden, Keil /Friend oder Bandschlinge vom Gurt nehmen und legen, einhängen. Durchschnaufen, weiter geht’s.

Sich durchaus bewusst zu sein, dass zweifellos Zweifel besteht, dass diese Haken einen Sturz halten würden, hält die Anspannung und Konzentration hoch. Bis zum nächsten Stand. Meistens 3 oder mehr Schlaghaken, die mit alten Reepschnüren verbunden sind, und dich schnell zur Überzeugung bringen selbst eine eigene Ausgleichsverankerung zu machen und eventuell noch was dazuzulegen.

Ja es kostet Zeit. Das bedachte Klettern, das Legen von Sicherungspunkten, das Standbauen, das Seil einholen, die Materialübergabe am Stand. Die Stunden verstreichen. Aber es läuft. Es geht uns gut. Wir kommen weiter.

Die etwas schwierigeren Längen sind super cool zum Klettern. Mein Partner hat im Nachstieg mit Rucksack zu kämpfen. Zu viel Wasser? Zu viel zusätzliche Kleidung? Schwer zu sagen, mir wars wichtig gut vorbereitet zu sein.  Jedenfalls hängt sein Körperschwerpunkt gleich mal 20cm weiter hinten und das saugt dich runter, macht dir dicke Arme und lässt dich mit der Zeit ganz nett pusten. Die Rollen sind verteilt. Ich steige vor, mein Partner nach. Jede Aufgabe ist wichtig und es schweisst zusammen. Er vertraut mir im Vorstieg, lässt mich vorziehen, Sicherungen legen, Stand bauen. Ich hol ihn nach. Er bringt Material, Verpflegung und macht den gleichen Weg. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind auch in der Wand angesagt. Super Team. Es läuft gut.

Die Ausstiegslängen rücken näher. Es sind 2 Verschneidungslängen, die mir erstmals ein bisschen Schauer bereiten. Richtig nass; es tropft; Tritte, Griffe, Schuhe, Hose, Pullover alles wird nass. Das Klettern wird dadurch nicht einfacher. Nasse Tritte ansteigen, an nassen Griffen zu ziehen bringt die mentale Ebene nun richtig ins Spiel. Es gelingt mir kühlen Kopf zu bewahren und sturzfrei die nächsten Stände zu erreichen.

Es blüht noch eine 40m Länge mit Quergang nach links. Die Beschreibung im Topo lässt uns schnell den Routenverlauf finden. Den möglichen Zwischenstand ausgelassen, wird die Seilreibung nach ca. 30m mehr und mehr. Ich klettere ein Stück zurück, verlängere die letzte Schlinge um die Seilreibung zu verringern. Ein paar Meter geht’s besser, dann aber selbes Spiel. Das Seil läuft zu sehr ums Eck. Ich komm nicht mehr vom Fleck. Es wären noch ca. 10m bis zum Stand. Aber keine Chance. Eine echt beschissene Stelle grad. Ich entscheide mich mit 3 Schlaghaken in jeweils ca. 2,5m Abstand einen Stand mit allen Bandschlingen, die ich mit hab zu bauen. Ich verbinde die drei Haken. Hol meinen Partner ein Stück nach, bis er am vorgesehenen Zwischenstand Stand macht. Puh, froh dass er Stand hat. Hat mich ein paar Nerven gekostet.

Da erlebte ich den alpinen Charakter erstmals hautnah und es wird einem klar, dass in so einer Wand eine unvorhersehbare Situation gleich mal ein wenig unentspannt werden kann. Vorallem mit wenig Erfahrung in solchem Terrain. Aber jetzt geht’s Richtung Top. Am Ringband angekommen. Super cool. Müde, Hunger, Durst, Freude, Erleichterung, …

Aber es ist noch nicht vorbei, dennoch konzentriert bleiben. Wir müssen ja auch wieder runter, aber vorerst einmal ein paar Eindrücke von oben.

Echt anstrengender Abstieg auf der Südseite mit vielen Abseilern und Stufengelände. Abseilen, Seil aufschießen, paar Passagen gehen, wieder Abseilen.

Nach ca. 10 h kommen wir wieder am Parkplatz an. Super Gefühl. Jetzt kommen bei mir Emotionen hoch und ich kann mich so richtig freuen, das mit meinem Kumpel gemacht zu haben und gesund wieder da zu sein. Wir kochen Thunfisch Nudeln, viele davon und stossen an mit einem gscheiden Bier, auf das ein zweites folgt 😀 Wahnsinns Tag, super Tour, tolles Erlebnis. Intensiv gelebt, gsund und unversehrt wieder im Tal. Ich freu mich aufs nächste Mal.

Daniel Egger

Steckbrief – Daniel

Alter: 29
klettert seit: spät angefangen 😛
arbeitet: Physiotherapeut
mag: Klettertage am Fels, Training, Herbst, reisen, Musik, Hunde, Bewegung, neue Leute kennen lernen, Natur
mag nicht: Dauerschlechtwetter, Verletzungen, Boulder mit schlechtem Absprunggelände, Cuts
mag manchmal: Alpinklettern/Mehrseillängen-Touren, Skitouren, Mountainbiken,
liebt: sein Leben und die, die es wissen sollen 🙂
aufgewachsen: in Wattens (Tirol)
klettert: 8a (und voll motiviert für weitere Entwicklung)

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