Der Frankenjura hatte schon immer eine besondere Wirkung auf uns. So besonders, dass wir ihn zu unserer Wahlheimat gemacht haben. Die Landschaft, der Fels, der Kletterstil, die motivierte Szene und das ganze Drumherum machen es für uns zum besten Klettergebiet der Welt (naja – um diese Aussage wirklich bestätigen zu können, haben wir noch ein paar Trips vor uns, aber ihr wisst, was wir meinen). Die Fränkische liegt zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth und erstreckt sich über ein riesiges Gebiet. Es gibt zwei dicke Kletterführer, die sich nicht einmal ein bisschen überschneiden. Gemeinsam beschreiben sie auf 1 100 Seiten weit über 11 000 Routen – das könnte fürs Erste reichen. Klettern in der Fränkischen ist anstrengend. Die Entscheidung für einen der vielen Felsen ist der Anfang. Zum Felsen zu gelangen ist das nächste Übel, denn der Zustieg kann mit 0 bis 10 Minuten teilweise schon extrem sein. Und am Ende des Tages muss man auch noch kulinarische Spezialitäten wie Schäuferle, Broudwärschd oder Sauerbraten verköstigen. Das Leben ist hart. Nein, nein, uns Kletterern geht es hier wahnsinnig gut. Aber dass die Routen anstrengend sind stimmt sogar. Denn viele sind kurz, fingerintensiv, boulderlastig und steil.

Paradiestal
Geschichte
Vor 150 Millionen Jahren – während des Jura – war diese Gegend ein tropisches Meer. Die Schwammriffe aus dieser Zeit wurden ständig mit neuen Kalkschichten überlagert und deswegen ist der Frankenjura – nach Rückzug des Meeres und einer leichten Drehung der Erdachse (Franken ist nicht mehr tropisch) – ein Klettergebiet der Superlative.
1931 gab es den ersten Kletterführer. Damals war es üblich “technisch” zu klettern, also unter Benutzung künstlicher Hilfsmittel wie Haken und Sprossenleitern. Das wandelte sich erst in den 1970er Jahren, als Kurt Albert die Freikletterei aus dem Elbstandsteingebirge mitbrachte. Routen, die er und seine Freunde frei begehen konnten, ohne Haken oder Ähnliches zur Fortbewegung (aber zur Absicherung!) zu nutzen, markierten sie mit einem roten Punkt. Daher stammt der heute übliche Begriff des Rotpunktens (redpointing) von Routen. Das war gar nicht mehr so gefährlich, denn 1960 erfand Oskar Bühler den zementierten Haken. Und diese fränkische Erfindung, der Bühlerhaken, setzte sich durch. Ein anderes wichtiges Kapitel der fränkischen Klettergeschichte fand in den 1980er-und 1990er-Jahren statt. Wolfgang Güllich kam im Frankenjura an und zog mit Kurt Albert und ein paar weiteren fanatischen Kletterern in eine WG. Das “Hotel Frankenjura” beheimatete über zehn Jahre lang die weltweite Kletterelite, da Besuche aus England (Ben Moon und Jerry Moffat), Australien (Kim Carrigan) oder den USA (Lynn Hill und John Bachar) nicht selten waren. Dieses Zusammentreffen beflügelte wahrscheinlich die Ambitionen der Mitbewohner, denn in dieser Zeit entstanden immer schwierigere Routen: Sautanz (9-), Magnet (9), Ekel (9+), The Face (10-), Stone Love (10+) und Wallstreet (11-) waren zur Zeit ihrer Erstbegehung allesamt unter den Ersten ihres Grades weltweit. Der große Wurf gelang Güllich 1991 mit seiner Route Action Directe (11). Der Name ist der französischen Untergrundorganisation entliehen, da die Griffe des 12 Meter langen Überhangs “terroristische” Angriffe auf die Fingergelenke sind. Der Durchstieg war nur durch gezieltes Training möglich – unter anderem an einem überhängenden Holzbrett mit waagrechten Leisten im Nürnberger Fitnessstudio “Campus”. Ihr wisst wohin das führte. In den aktuellen Kletterführern gibt es eine Liste mit den 100 schwersten Touren der Fränkischen. Die leichtesten von ihnen sind mit 11- bewertet und hinter fast jeder Route steht als Erstbegeher der Bamberger Markus Bock. Ab und zu taucht aber auch der Name eines unbekannten Erlangers auf, der anscheinend recht gut trainiert hat: Alex Megos.

Typisch fränkische Lochkletterei
Der Fels
Der fränkische Fels besteht aus Kalk oder Dolomit. Bei über 1000 Massiven und Türmen kann man sich vorstellen, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Meist herrschen löchrige Wandstrukturen vor. Viele der Löcher sind richtig tief und henkelig, sodass es auch viele Felsen und Routen mit lohnenswerten, sehr einfachen Touren gibt (Teufelslöcher, Treunitzer Wand). Kommen in steilen Wandpartien Henkel vor, dann fühlt man sich gleich wie in der Kletterhalle, weil man affenartig durch die Überhänge turnen kann (Diebesloch, Wolfsberger Grotte). Schlechte Löcher gibt es wahrscheinlich auch (Waldkopf). Bei anderen Felsen der Fränkischen findet man keine Löcher, sondern fast ausschließlich Leisten. Und genau wie die Art der Griffe variieren kann (ok, Sloper gibt es wirklich nicht viele), variiert auch die Steilheit der Routen. Von geneigten Genusstouren (Breitenberg Südwand, Röthelfels), bis zu riesigen Volldächern (Bärenschlucht, Klinge) ist alles dabei. Die Frankenkletterei ist bekannt dafür, boulderlastig zu sein. Einige Felsen sind tatsächlich nur 10 oder 12 Meter hoch – für die Einen ist das herrlich, für Andere ein Albtraum. Die große Masse der Felsen misst wohl knapp 20 Meter, wobei es auch Ausreißer nach oben gibt. Am Rabenstein, am Röthelfels oder an der Heinrichsgrotte geht es auch mal über die 40 Meter hinaus.
Große Wacht Soranger Wand Ankatalturm
Naturschutz
Was in Franken gut funktioniert, ist das Zusammenspiel zwischen Naturschutz und Kletterern. Es gibt ein Zonierungskonzept, das alle Felsen und Felsabschnitte (die für Kletterer interessant sein könnten) einordnet in “Ruhezone”, “Klettern nur an bestehenden Touren” und “Neutouren erlaubt”. So werden genügend Bereiche geschaffen, in denen Flora und Fauna ungestört bleiben können, und Kletterer kommen auch nicht zu kurz. Außerdem gibt es noch zeitlich beschränkte Sperrungen von Felsen, die gerne von geschützten Brutvögeln genutzt werden. Diese werden aber flexibel aufgehoben, wenn die Brut nicht stattfindet oder früher als erwartet beendet ist. Aktuelle Infos gibt es immer auf www.frankenjura.com.
Flora im Frankenjura
Absicherung
Die Absicherung in neueren, schwierigeren (8 und aufwärts) Routen ist in den meisten Fällen sehr gut. Alte Routen werden zwar bei Bedarf saniert, aber dabei soll der Charakter der Route erhalten bleiben. Das heißt, es werden nicht mehr Haken gesetzt als bei der Erstbegehung vorhanden waren, was die Abstände gelegentlich sportlich werden lässt. In den meisten Fällen ist das aber nicht wirklich gefährlich. Bei leichten Routen sieht das anders aus, die Haken sind oft spärlich gesetzt. Hier geht es, dank der starken Strukturierung des Felsens, allerdings recht einfach, Keile oder Friends unterzubringen. Es lohnt sich auf jeden Fall, nicht blind in Routen einzusteigen, sondern vorher die Absicherung zu checken. Auf die Absicherungscrux trifft man nicht selten schon am Beginn der Route, weil der erste Haken manchmal hoch steckt. Meistens ist das Gelände bis dahin dann auch relativ leicht für den Grad. Doch wer auf Nummer sicher gehen will, kann sich das Leben mit einem Clipstick etwas leichter machen. Viele Regeln haben ihre Ausnahmen und deswegen gibt es auch Felsen mit leichten und gut abgesicherten Routen, beispielsweise die Teufelslöcher, die Hexenküche oder den Weißenstein. In den Guidebooks findet ihr noch viele mehr.
Das Wichtigste auf einen Blick
Anreise: am einfachsten mit dem Auto, der ÖPNV fährt eher sporadisch. Gute Ausgangspunkte sind Pottenstein, Obertrubach, Betzenstein, Hollfeld.
Campingplätze: Betzenstein (gutes Preis-Leistungsverhältnis), Bärenschlucht (mit dem Bus erreichbar, direkt am Fels), Oma Eichler (Kult) uvm.
Naturschutz: frankenjura.com (gibt Infos über Felssperrungen und “Rock Events”), IG-Klettern (Interessengemeinschaft Klettern)
Beste Jahreszeit: Im Frühjahr und Herbst herrschen die besten Bedingungen. Im Sommer findet man zahlreiche schattige Felsen. Im Winter ist es nur angenehm zu klettern, wenn es wirklich sonnig ist.
Essen: Schrepfersmühle (Weismain), Gasthof Seitz (Plech), Goldene Krone (Pottenstein), Drei Linden (Obertrubach, auch vegan)
Mahlzeit!
Kletterführer: Frankenjura Band 1 (nördlich, Staffelstein bis Pottenstein), Band 2 (südlich, Obertrubach bis Hersbruck)
Pausentage: Höhenbad Gößweinstein (kostenlos), Teufelshöhle Pottenstein, Tretbootfahren in Pottenstein, Kajakfahren, Burgen & Wanderwege
Empfehlungen
Wir haben selbst ständig Entscheidungsschwierigkeiten bei der Auswahl der Felsen. Je nach Jahreszeit, Wetter, Kletterpartnern und aktuellen Vorlieben, entscheiden wir uns für unterschiedliche Sektoren. Falls ihr ebenfalls Hilfe bei dieser Frage benötigt, könnt ihr euch von unserer Auflistung inspirieren lassen. Die ist ganz ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn selbst nach 2 Jahren in Franken haben wir noch nicht annähernd die Hälfte aller Felsen hier gesehen.
Bei Hitze
Es gibt viele fränkische Felsen, die nach Norden ausgerichtet sind und daher auch im Sommer gute Bedingungen bieten. Entscheidend ist auch der Bewuchs des Wandfußes. Wachsen dort viele hohe Laubbäume, kann es auch an Ost- oder Westseiten angenehm sein.
Andeltodrom (10m, 6 bis 9), Diebesloch (14m, 7 bis 9), Kanzelfels (18m, 7 bis 9), Leupoldsteiner Wände (20m, 5 bis 10), Wolfsberger Grotte (12m, 9er), Schlaraffenland (25m, 4 bis 9), Enigma (20m, viele 8er und 9er), Obere Gößweinsteiner Wände (20m, 6 bis 9), Frankenstüble (15m, 5 bis 9, aber keine 7er)

Leupoldsteiner Wände
Bei Kälte
An diese südseitigen Felsen knallt die Sonne im Winter so richtig hin. Noch wärmer wird es bei halbrund geformten Felsen, wo sich die warme Luft stauen kann: Dachlwand (15m, 8 bis 9), Geierwand (10m, großteils 7er und 8er), Kuhkirchner Wand (20m, 6 bis 10), Bärenschlucht (22m, 7 bis 11), Schöne Aussicht (12m, 7 bis 8), Waischenfelder Turm (18m, 8 bis 10), Amerikanische Botschaft (18m, 7 bis 8), Steinfelder Wändchen (8m, 5 bis 7)

Kuhkirchner Wand
Bei Regen
Unter den großen Überhängen kann man selbst bei strömendem Regen klettern. Bis das Wasser durchsifft, kann es Tage dauern. Durch die Steilheit gibt es allerdings kaum leichte Routen: Dachlwand (15m, 8 bis 9), Nankendorfer Block (18m, fast nur 9er), Diebesloch (14m, im Überhang 8 bis 9, im senkrechten auch Leichteres), Soul Kitchen (12m, viele 9er), Holzgauer Wand (25m, im Überhang 9 bis 11, im linken Teil auch Leichteres).

Diebesloch
Für Liebhaber geschichtsträchtiger Routen
Wer wiederholt nicht gerne die Klassiker von Güllich, Albert, Moffat und Co? An diesen Felsen werdet ihr fündig: Eldorado (10m, 9 bis 11), Richard-Wagner-Fels (30m, 6 bis 10), Krottenseer Turm (20m, 5 bis 11), Student (35m, 8 bis 10), Waldkopf (14m, 9 bis 11), Weißenstein (15m, 3 bis 9), Ankatalwand (25m, 7 bis 10)
Weißenstein Ankatalwand
Für Boulderer
Das Bouldern in Franken ist eine besondere Geschichte. Der Boulderappell (ig-klettern.org/bouldern/boulderappell/) hat das Ziel, Sperrungen und Konflikten mit Landbesitzern zuvorzukommen, indem die fränkischen Bouldergebiete nicht veröffentlicht werden. Es gibt keine Topos. Für motivierte Locals ist das Bouldern in Franken zwar lohnenswert (zumindest ab Fb 6C), aber es ist nicht massentauglich. Meistens gibt es pro Block nur einen, oder wenige Boulder und die Blöcke liegen weit verstreut. Für Besucher ist Seilklettern daher attraktiver. Wer trotzdem im Frankenjura bouldern möchte, kann sich an die wenigen Boulderfelsen halten, die ausnahmsweise im Seilkletterführer gelandet sind. Das passiert, wenn an Seilkletterfelsen ebenfalls Boulder vorhanden sind: beispielsweise Höllenstein (Fb 5B bis Fb 7C), Klagemauer (Fb 6A bis Fb 8B)

Höllenstein
Für Genusskletterer und Familien
Ebene Wandfüße, angenehme Zustiege, leichte und kinderfreundliche Routen findet ihr an den folgenden Felsen: Teufelslöcher (12m, 5 bis 8), Betzensteiner Sportkletterwand (12m, 4 bis 9), Treunitzer Wand (18m, 4 bis 6), Freudenhaus (20m, 6 bis 10), Hexenküche (15m, 4 bis 8), Leupoldsteiner Wand (25m, 4 bis 10), Schda Schdum & Bärnfelswand (18m, 2 bis 9), Breitenberg Südwand (13m, 3 bis 7)

Teufelslöcher
Bei gemischten Gruppen
Wenn ihr mit einer Gruppe unterwegs seid, die sowohl leichte als auch schwere Routen benötigt, dann findet ihr hier in Franken auch genügend Auswahl: Maximilianswand (15m, 4 bis 11), Marientaler Wände (25m, 6 bis 10), Soranger Wand (12m, 4 bis 10), Rolandfels (6 bis 11), Grüne Hölle (18m, 5 bis 11), Obere Schlossbergwand + Schlossbergzwilling (18m, 3 bis 10).
Grüne Hölle Marientaler Wände
Unsere Top-Touren
Und jetzt kommen noch ein paar unserer persönlichen Lieblingstouren. Ihr wisst ja, wie jeder Kletterer nach einer harten Begehung von “the best route of my life” spricht. Möglicherweise sind auch wir noch in diesem Zustand, aber richtig schlecht sind die Routen dieser Liste definitiv nicht:
Treunitzer Wand – Lichtmessweg (4), Röthelfels – Zinnober (6-), Rolandfels – Für Lea (6+), Großer Mönch – Conni und Uli (7-), Grüne Hölle – Range Rover (7) Isolation (8-) Vögeln Verboten (9+), Diebesloch – Quergang (7/7+), Ankatalwand – Computerspiele (8), Soranger Wand – Schweine im Weltall (8), Wolfsberger Grotte – Orang Utan (9-), Bärenschlucht – Roter Baron (9-), Wüstenstein – Oase (9-), Fuchslochwand – Red Line (9), Große Wacht – Fahrkarte (9), Marientaler Wände – Leftfield (9+/10-), Kuhkirchner Wand – Fingerfood (10-).

Vicky
Jahrgang: 1993
klettert seit: 2014
arbeitet: VWL-Studium und nebenbei in der Boulderhalle als Trainerin
mag: Crimps, hohe Hooks, geputzte Griffe, dunkle Schoki, Kaffee
mag nicht: Untergriffe, kalte oder nasse Felsen, Kompressionsboulder, zu wenig Fingerhaut
mag manchmal: Dynos, weite Züge
aufgewachsen: in Moosburg a.d. Isar, wohnt jetzt in Bamberg
kletterte: Zwei 7cs, z.B. Red Line im Frankenjura
boulderte: Eine 7C, Warhammer im Frankenjura
Tim
Jahrgang: 1994
klettert seit: 2010
arbeitet: Informatik-Studium – es fehlt nur noch die Masterarbeit
mag: Dynos, Crimps, klare Boulder, entspannte Klettertrips
mag nicht: definierte Boulder, Mantels, Patschboulder, lange Zustiege
mag manchmal: Seilklettern
aufgewachsen: in Passau, jetzt in Erlangen
kletterte: Eine 8a+, Fingerfood im Frankenjura
boulderte: Zwei 7C+, z.B. Poison Dwarf direct in den Rocklands