Klettern in Spanien
Das Paradies für Genusskletterer
El Chorro stand von Anfang an auf der Liste der Klettergebiete, die wir auf unserem viermonatigen Trip ausprobieren wollten. Wir hielten es für eine sichere Option für die kälteste Zeit des Jahres. Und als es uns Anfang Dezember in Margalef im Zelt zu kalt wurde, sind wir nach Süden gedüst – und fanden riesige Wände, heiße Südseiten und eine tolle Community.
El Chorro
Das Städtchen El Chorro liegt eine gute Autostunde nordwestlich von Málaga in Andalusien. Südlicher geht es in Europa für uns Kletterer fast nicht. Bei Spaniern ist Chorro nicht unbedingt wegen des Kletterns bekannt, sondern wegen des Caminito del Rey, eines beeindruckenden Klettersteigs, der entlang senkrechter Felswände durch enge Schluchten führt. Dorthin pilgern an Wochenenden ganze Busladungen. Uns interessierte natürlich eher das Sportklettern in der Gegend. Nach ein paar topolosen ersten Tagen ergatterten wir den nagelneuen Rockfax-Guide, der mit Fototopos über die 20 (Ober-) Sektoren mit insgesamt 1500 Routen Auskunft gibt. Etwas viel für vier Wochen!
Wir sehen gleich, worum es in El Chorro geht: Lange Routen, gelblicher Kalk, viel Auswahl vor allem in den unteren Graden, fast ausschließlich Südseiten. Perfekt also für einen entspannten Winterurlaub. Frühstücken im Freien und T-Shirtklettern an Weihnachten und Silvester waren eine willkommene Abwechslung zu den bitterkalten Nächten in Margalef. Für Starke, die sich gerne im 8. Franzosengrad austoben, gibt es zwar ein paar interessante Sektoren, aber es ist klar, dass El Chorro generell kein Hardmovergebiet ist. Viel geeigneter ist es für Leute, die zwischen dem 4. und unteren 7. französischen Grad klettern. In diesen Schwierigkeiten gibt es zusätzlich zu den Sportkletterrouten viele gut abgesicherte Mehrseillängen.
El Chorro steht für unzählige geneigte Platten und senkrechte Wände. Wir raten euch zu festen Kletterschuhen, ansonsten lernt ihr (wie wir) Wadelpump in eurer Zeit in Andalusien näher kennen als Unterarmpump. Ein paar Überhänge für Wadelpausentage gibt es aber auch.

Bedees

Valentines Day (6a), Sektor Austria
Der Fels
Typische Formen des El Chorro-Kalks sind graue Wasserrillen, scharfe Leisten, lange Sinter, hinterschnittene Schuppen und vereinzelte Löcher. Leider neigt alles dazu, abzuspecken. Man braucht also die richtige Einstellung, um die beliebten Routen wirklich genießen zu können: “Hält schon!”
Es schadet außerdem nicht, vor dem Einstieg die Route vom Boden aus genau zu inspizieren: bezüglich Routenlänge, Hakenzahl, Hakenqualität und Felsqualität. Nicht alles ist immer perfekt – aber meistens.


Unterkunft
Unser treues Zelt haben wir bei der “Finca la Campana” aufgebaut. Ein unerwarteter Luxus war der liebevoll eingerichtete Gemeinschaftsraum mit Küche, Billard, Dart, Musik und Bar. Dort ist es sehr einfach, andere Kletterer kennenzulernen, Tipps auszutauschen und gemeinsam Karten zu spielen. Der Charme der Finca kommt von den internationalen Volunteers, die dort jeweils einige Monate gegen Kost und Logis arbeiten (und klettern) und der Unterkunft Leben einhauchen. Die meisten Gäste sind Kletterer. Nur ein kleiner Teil zeltet dort. Es gibt auch Mehrbettzimmer und Hüttchen, die man als Gruppe buchen kann. Eine der Hütten (mit Küche, Bad und Holzofen) haben wir über die Feiertage ausprobiert, als uns drei Freunde besuchen kamen. Sehr empfehlenswert, vor allem nach mehreren Monaten im Zelt! Ein paar hundert Meter weiter liegt die ebenso idyllische Olive Branch. Auch hier kann man auf einem großen Gelände sein Zelt aufschlagen oder in Mehrbettzimmern unterkommen.
Campingplatz Olive Branch

Finca La Campana

Splashline bei der Finca
Die Sektoren
Der Großteil der Sektoren ist mit zwischen 10 und 40 Minuten Gehzeit zu Fuß zu erreichen. Deswegen ist El Chorro auch für Besucher, die ohne Auto anreisen, sehr komfortabel. El Chorros Hauptwand, Frontales, ist eigentlich ein Berg. Er dominiert fast jeden Blick, weil er sich gleich hinter der Stadt 300 Meter steil nach oben erhebt. Am Wandfuß gibt es etliche Sportklettersektoren und auch viele Mehrseillängen, die sich bis ganz nach oben schlängeln. Gleich im Anschluss kommt der Abschnitt Escalera Árabe, wo wieder mehrere Sektoren auf uns warten. Der dritte Wandriegel, den wir häufig beklettert haben, heißt Encantadas. Er hat den kürzesten Zustieg El Chorros und ist auch kein Berg, sondern “nur” bis zu 40 Meter hoch.
Neben diesen drei Gebieten gibt es noch viele weitere: Beispielsweise “the gorge” (beim Caminito), das Makinodromo oder die etwas außerhalb liegenden Sektoren Desplomilandia oder Valle de Abdalajís. Jetzt wird’s genauer:
Frontales (Süd)
Frontales ist riesig und abwechslungsreich. Der bekannteste Sektor ist die Halbhöhle: Poema de Roca. Wegen der Steilheit der Routen zieht es viele ambitionierte Kletterer dorthin. Die Route, die dem Sektor ihren Namen gibt, ist eine sintrige 3D-Kletterei im Grad 7a. Sie ist außerdem der Start einer heftigen Mehrseillänge. Rechts der Poema sind die gemäßigten Sektoren Solarium (ein passender Name) und Austria. Hier dominieren mittellange geneigte 6er, die ebenfalls in einige Mehrseillängenrouten münden. Leuten, die zwar nur eine Seillänge klettern wollen, aber dann schon richtig, kann man den Sektor Momia links der Poema ans Herz legen. Dort findet man 40 Meter Ausdauerhämmer in allen Graden.
Routenempfehlungen
Amptrax: Amptrax (6a Mehrseillänge)
Poema de Roca: Poema de Roca (7a), Eye of the storm (7c) Austria: Left of tall people (6b), Valentines day (6a Mehrseillänge)
Poema de Roca

Amptrax (6a)

Sektor Austria
Escalera Árabe (Süd)
Die “Arab Steps” sind direkt im Anschluss rechts von Frontales. Namensgebend ist eine riesige Treppe, die schräg auf den Berg hinauf führt. Oberhalb der Treppe starten die meisten Routen des Sektors. Im rechten Bereich gibt es sehr einfache, strukturierte Routen. Je weiter nach links oben man vordringt, desto senkrechter wird der Fels, an einigen Stellen sogar überhängend. Bis ca. 7b kommt in Escalera Árabe jeder auf seine Kosten. Wegen der Routenvielfalt ist es einer der beliebteren Sektoren. Ein guter Tipp an zu vollen Tagen ist der neuere Sektor McClaud, der sich unterhalb der Treppe befindet. Er ist noch unbekannter, bietet aber abwechslungsreiche Kletterei an, die sich mit der Hauptwand messen kann.
Routenempfehlungen
Escalera Árabe: Arabesque (7a), Blue Line (5c Mehrseillänge), Engendro caneri (6a+)
McClaud: Sobredosis de esparragos (6a+), El amigo lion (6a+
Hochbetrieb an der Escalera Árabe

Escalera Árabe

Erste Seillänge in Rogelio (6a), Sektor Suiza
Las Encantadas (Süd)
Wir wurden schon belächelt, so oft wie wir nach Encantadas gepilgert sind. “You guys gotta diversify!” Stimmt, das sollten wir, aber die gute Erreichbarkeit des breiten Wandriegels hat es uns einfach angetan. Es gibt einen oberen und einen unteren Teil. Unten links gibt es viele geneigte Routen im fünften und unteren sechsten Grad. Vorsicht, je weiter nach links man kommt, umso abgespeckter wird es. Rechts davon wird die Wand steiler und die Routenschwierigkeiten ziehen an – bis ungefähr 8b. Der obere Teil beheimatet einige der besten 7as El Chorros: Lang und anhaltend, senkrecht und tricky.
Drei kleinere Anhängsel-Sektoren von Encantadas gibt es auch noch: Rechts der oberen Wand warten neue kürzere und moderate Routen auf Kletterer. Die Sektoren heißen Cocina Caliente, Olivitos und Bedees.
Routenempfehlungen
Encantadas: Generación Limite (7b+), La de Seba (6b), Fiebre del sur (7a), La ley del cateto (6c+), Guerrera (6a+)
Cocina Caliente: El Nazareno (6a), Soy Caliente (6a+)
Bedees: Central Line (6c+), Prominent Flake (6c+)
Central line (6c+) in Bedees

Fiebredelsur (7a), Sektor Encantadas

Unterer Teil von Encantadas
Túron (Ost und West)
Wer zur Hochsaison in El Chorro ist und sich wie wir nach etwas Ruhe sehnt, trifft mit Túron die richtige Wahl. Während sich in Encantadas und Frontales die Kletterer tummelten, konnten wir in Túron ganz alleine die schöne Umgebung genießen. Wer die ca. 40 Minuten Autofahrt auf sich nimmt, wird nicht nur mit Ruhe, sondern auch mit etwas Schatten belohnt. Die zwei Sektoren sind ost- und westseitig ausgerichtet, was eine gute Abwechslung zu den Südseiten in El Chorro selbst bietet. Abwechslung gibt es in diesem Gebiet ebenso: Auf der Ostseite kann man sich an langen Platten vergnügen, im mittleren Teil gibt es auch etwas steilere Routen und die Westseite bietet wunderschöne senkrechte Kletterei.
Routenempfehlungen
Quasimodo (6c), Siete (6b), Julay lama (5c)
Sektor – Turon (Westseite)
Valle de Abdalajís (Süd)
“The slabby place” – besser kann man das Valle de Abdalajís, das ca. 20 Autominuten von El Chorro entfernt liegt, wohl nicht beschreiben. Oberhalb des kleinen Städtchens erstrecken sich unzählige Felsplatten, die nur darauf warten, beklettert zu werden. Wirklich schwer wird es hier zwar nicht, aber gute Fußtechnik sollte man auf jeden Fall mitbringen. Vicky konnte hier in Ihrem ersten Kletterurlaub vor 3 Jahren ihre erste 6a (Musgogenesis) ticken. Einen Besuch des slabby place kann man außerdem mit einem Einkauf im Minisupermarkt oder dem Volltanken an der Tankstelle verbinden.

Valle de Abdalajís

The Slabby Place
Central Gorge (alle)
Die Sektoren in der Central Gorge sollen sehr schön sein und mit etwas schwereren Routen aufwarten – wir waren leider nicht dort, um das zu bestätigen. Der Grund war der (für uns verwöhnte Franken) weite “offizielle” Zustieg von ca. 3 Stunden. Laut aktuellem Topo (2018) ist der etwas kürzere Zustieg durch die Zugtunnel von El Chorro nicht mehr erlaubt. Vor allem die Routen im Makinodromo sollen aber sehr zu empfehlen sein.
Desplomilandia (Nord)
Auch das Gebiet Desplomilandia konnten wir aufgrund einer Autopanne leider nicht besuchen. Es liegt nämlich ca. 30 Autominuten von El Chorro entfernt. Wer auf der Suche nach Schatten und Routen im 7ten und 8ten Grad ist, wird hier fündig.
Fazit:
Für uns war El Chorro zwar kein 5 Sterne Gebiet (im Vergleich zu Margalef oder Rodellar), aber ein Ort an dem man viele nette Gleichgesinnte und abwechslungsreiche Routen antreffen kann. Großes Plus ist die Tatsache, dass fast alle Gebiete zu Fuß erreichbar sind. Für eine Flucht aus dem deutschen kalten Winter kann man El Chorro uneingeschränkt empfehlen. Wir haben auch viele Solokletterer getroffen, die keinerlei Probleme hatten, Kletterpartner zu finden.

Eure Vicky und Tim
Alles Wichtige auf einen Blick
Anreise: Flug nach Málaga, ca. 1h Autofahrt weiter nach El Chorro. El Chorro ist auch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus und Bahn) über Álora zu erreichen. Vor Ort ist das Meiste zu Fuß erreichbar
Beste Topos: Rockfax neue Auflage 2018 (z.B. bei der Olive Branch oder Online, ca. 39€), Klettern in Spanien 2018 (kleine Übersicht, 15€)
Beste Reisezeit: Von November bis März, selbst im Januar war es in der Sonne teilweise fast zu heiß
Unterkunft: Finca la Campana (liebevolles Guesthouse, Campingplatz und Bunkhouse mit gemütlichem Gemeinschaftsraum), Olive Branch (Zeltplatz und Mehrbettzimmer in guter Lage und Yogaraum), Climbing Lodge (komfortabel ausgestattete Zimmer und Ferienhäuser, DAV Rabatt) – wer low budget unterwegs ist, kann sich vor Ort auch Zelte mieten
Einkaufen: Álora (Mercadona), ein kleiner Shop in El Chorro hat nur sporadisch geöffnet, kleiner Supermarkt in Valle de Abdalajís
Pausentage: Málaga, Hotsprings bei Granada, Camino del Rey, Ronda, Yoga in der Olive Branch
Tipps: Pizzanight in der Finca, Trinkwasserbrunnen (36.908445, -4.756985), Minishop bei Finca la Campana, fast alle Unterkünfte bieten Kletterkurse für Anfänger und Mehrseillängen an
Ausrüstung: Wir kamen mit unserem 70m Seil gut aus. Wer in die nicht seltenen >35m Routen einsteigen möchte, sollte ein 80m Seil einpacken. Außerdem: Ca. 20 Exen, Sonnenschutz, Mehrseillängen-equipment, feste Schuhe, guter Rucksack für den Zustieg

Vicky
Jahrgang: 1993
klettert seit: 2014
arbeitet: VWL-Studium und nebenbei in der Boulderhalle als Trainerin
mag: Crimps, hohe Hooks, geputzte Griffe, dunkle Schoki, Kaffee
mag nicht: Untergriffe, kalte oder nasse Felsen, Kompressionsboulder, zu wenig Fingerhaut
mag manchmal: Dynos, weite Züge
aufgewachsen: in Moosburg a.d. Isar, wohnt jetzt in Bamberg
kletterte: Zwei 7cs, z.B. Red Line im Frankenjura
boulderte: Eine 7C, Warhammer im Frankenjura
Tim
Jahrgang: 1994
klettert seit: 2010
arbeitet: Informatik-Studium – es fehlt nur noch die Masterarbeit
mag: Dynos, Crimps, klare Boulder, entspannte Klettertrips
mag nicht: definierte Boulder, Mantels, Patschboulder, lange Zustiege
mag manchmal: Seilklettern