Klettern das erste Mal olympisch
Team Manox Erfahrungsberichte
Für alle unter euch, welche die Jugendolympiade 2018 in Buenos Aires verfolgt haben ist es ja keine Neuigkeit. Sandra Lettner ist als Olympiasiegerin heimgekehrt und Laura Lammer hat sich den dritten Platz geholt, Gratulation vom gesamten Team Manox :-). Nicolai hat es leider nicht in das Finale geschafft, aber dabei sein ist ja bekanntlich alles. Anbei der Erfahrungsbericht aus erster Hand unserer beiden Manox Athleten.
Meine olympisches Abenteuer nach Argentinien hat am 2. Oktober um 10 Uhr vormittags in Innsbruck begonnen. Wir sind mit dem Zug nach Wien gefahren, wo das gesamte Youth Olympic Team Austria zum Treffpunkt verabredet war. Sportminister Heinz-Christian Strache hat sich persönlich von uns Athleten verabschiedet und dann ging die Reise nach Buenos Aires über Madrid auch schon los. Der Flug nach Madrid war nur das „Aufwärmen“, denn danach stand uns ein ca. 12h Flug nach Buenos Aires bevor. Die Zeit verging zum Glück recht schnell und in Argentinien angekommen spürten wir auch schon den Jetlag. Bevor wir jedoch in unsere Unterkunft bzw. in das olympische Dorf durften, mussten wir durch einen Sicherheitscheck, damit nichts Verbotenes hineingeschmuggelt werden konnte. Einmal im Dorf angekommen, war ich sofort von den Fahnen, die von allen teilnehmenden Nationen aufgehängt wurden an den Häusern überwältigt. Da wurde ich noch einmal daran erinnert, dass Olympia etwas ganz spezielles ist. Danach bekamen die Athleten ihre Schlüssel ausgehändigt. Ich teilte mein Zimmer mit Laura Lammer (die zweite österr. Kletterin). Die Zimmer an sich waren eng und klein, aber dafür sehr sauber. Die Unterkünfte wurden extra für die Sportler und Betreuer gebaut und werden danach als Wohnungen verkauft.
Das Gefühl bei einer Jugendolympiade dabei zu sein ist einfach unbeschreiblich und etwas ganz Besonderes. Es ist ein wahnsinnig tolles Gefühl einer von zig Tausend Athleten zu sein. Im olympischen Dorf verteilt sich die Menschenmenge relativ gut und man merkt nicht, dass so viele Athleten an den Spielen teilnehmen (fast 4000 Athleten aus 206 Nationen). Es gibt viel Platz und nicht alle sind immer gleichzeitig im Dorf, da die Wettkampfzeiten und Orte ja unterschiedlich sind. Im Essenszelt, kann es allerdings manchmal schon zu einem Stau kommen. Abseits des Sports gab es im olympischen Dorf auch genügend Zerstreuung und Ablenkung. Am Abend gab es fast immer Veranstaltungen – Karaoke, Zirkus-Show, Grillabend, verschiedene Spiele und dann auch noch Spezialzelte, in denen es manchmal einen Talk mit bekannten und berühmten Persönlichkeiten zu hören gab. Ohne eine erwachsene Begleitperson war es uns nicht erlaubt nach Buenos Aires zu fahren, da die Kriminalitätsrate dort sehr hoch ist. Nicht vergleichbar mit Österreich. Falls man etwas einkaufen wollte, musste immer ein Betreuer mit, oder man ging einfach in den Supermarkt im Olympic Village. Dort gab es Essen, elektronische Sachen und sonstige Artikel für den täglichen Bedarf. Die Bezahlung erfolgt mit Karte oder auch bar in der argentinischen Währung “Pesos”. Selbst eine kleine Bank war im Dorf vorhanden zum Geldwechseln. Wer Hunger hat, konnte jederzeit in die “Dining Hall” gehen. Diese war 24h geöffnet, wobei es nur zu bestimmten Tageszeiten Hauptmahlzeiten (Buffet mit 5 Gerichten) gab. In der restlichen Zeit konnte man sich dort relativ einfach Snacks, wie Obst oder Säfte holen.
Da die Athleten nicht die gesamten 3 Wochen in Buenos Aires ohne waschen mit der zur Verfügung gestellten Kleidung ausgekommen sind, heißt es natürlich auch ab zu Wäscherei im Olympic Village. Besonders wichtig für uns Athleten war natürlich auch das Training, dafür gab es dann ein extra Zelt mit Fitnessstudio. Der Kletterwettkampf hat schon relativ früh zu Beginn der Olympiade von 7.-10. Oktober stattgefunden. Am ersten Tag wurde die Qualifikationsrunde für die Damen geklettert. Ich konnte mir dabei in Speed den 8. Rang sichern, in Bouldern den 4. und in Lead den 1.Platz. Somit hatte ich insgesamt 32 Punkte (wird zusammenmultipliziert) und lag auf Platz 1. Die besten sechs Sportlerinnen durften dann im Finale, das am 9. Oktober stattfand, wieder gegeneinander antreten. Der Finaltag begann mit Speed. Ich habe mir den 3. Rang erklettert (mit einer neuen persönlichen Bestzeit) und hatte damit schon eine gute Ausgangsposition (Speed ist meine schwächste Disziplin). Im Bouldern habe ich dann den 3.Platz erreicht und somit hing alles von meiner Leadperformance ab. Ich “topte” die Route zwar, aber hatte schon das Gefühl, dass ich damit nicht die einzige sein werde. Danach heißte es zittern, aber zum Glück war ich von den 4 Kletterinnen welche topten die Zweitschnellste. Mit 18 Punkten war ich damit mit der Slowenin Vita Lukan gleichauf, doch hatte ich in zwei Disziplinen bessere Platzierungen als Sie und damit (Trommelwirbel) habe ich die erste Goldmedaille bei den Jugend Olympischen Spielen in der Sportart Klettern geholt.
Ich konnte es am Anfang noch gar nicht realisieren, da wir uns verrechnet hatten und ich glaubte, dass ich gar nicht am Podest sein werde. Als ich aber dann auf der Anzeigetafel meinen Namen ganz oben sah fiel mir ein Stein vom Herzen. Worte fielen in mir in diesem Moment absolut nicht ein, aber als dann Laura zu mir kam (Bronzemedaillengewinnerin) verstanden wir uns auch ohne. Wir wussten beide, dass sich die harte Arbeit ausgezahlt hat und ein Glücksgefühl hat uns übermannt. Als dann am Podest die Hymne gespielt wurde, ist mir erst wirklich klar geworden, dass ich es geschafft habe und die goldene Medaille mit nach Hause mitnehmen darf. Ich konnte mich gar nicht so richtig auf die Nationalhymne konzentrieren, in meinen Gedanken ging ich diesen Tag immer wieder durch und lies das Erlebte Revue passieren.
Die nächsten Tage vergingen dann sehr schnell. Da keine weiteren Wettkämpfe fürs Klettern mehr an der Tagesordnung waren, hatten wir sozusagen „frei“ und etwas Zeit für uns selbst zur Verfügung. Zweimal waren wir nochmals auf der Kletterwand und haben etwas trainiert, wir sahen bei anderen Sportarten zu, und feuerten die österreichischen Athleten an, fuhren in die Stadt, kauften Souvenirs ein und genossen die restlichen Tage.
Zu sehen sind Videos der div. Bewerbe auf der Homepage von www.olympicchannel.com
Angefangen hat die Reise in Klagenfurt, wo es dann mit dem Auto nach Wien ging. Dort hatten wir in der VIP-Lounge des Flughafens Wien Schwechat, als erste Österreicher und Österreicherinnen eine Verabschiedung der Bundesregierung zu einer Jugendolympiade. Nach vielen Interviews und Fotoshootings ging es dann endlich in das Flugzeug, wo wir die nächsten 3 Stunden Richtung Madrid verbrachten. Von dort flogen wir dann um die 12 Stunden und somit die ganze Nacht, bis wir im Morgengrauen in Buenos Aires ankamen. Nun begann das ewige Warten auf das Gepäck, welches mit Namen beschriftet sein musste, da etwas mehr als 60 gleichaussehende, graue Koffer auf dem Gepäckband die Runden machten. Neben der Bekleidung bekamen wir vom IOC ebenfalls die Koffer und Rucksäcke zur Verfügung gestellt. Letztendlich wurden wir mit Bussen zum olympischen Dorf transportiert, in dem in den nächsten 18 Tagen tausende Athleten, Trainer, Betreuer usw. untergebracht waren.
Bis dorthin verlief alles reibungslos und ohne gröbere Zwischenfälle. Die Zeitverschiebung von fünf Stunden konnte ich auch gut wegstecken. Die Zimmer waren sehr sauber, doch für 7 Leute pro Appartement etwas klein. In den kommenden Tagen verbrachte ich viel Zeit im olympischen Dorf, wo es einiges zu sehen gab. Die Stimmung im Dorf, sowie im Team war sehr gut und alle kamen miteinander sehr gut aus. Schon bereits am zweiten Tag konnten wir für zwei Stunden an der Wettkampfwand trainieren. Viel Zeit verbrachte ich nicht nur beim Klettern, sondern auch im Laufe der ganzen olympischen Spiele, mit meinen Kletterkollegen aus anderen Ländern. An den beiden Trainingstagen vor dem Wettkampf konnten wir alle drei Disziplinen praktizieren. Trotz der Hitze fühlte ich mich sehr gut in Form und hatte wie schon zuvor hohe Erwartungen an mich selbst. Am 6. Oktober fand dann endlich die große Eröffnungsfeier mit über 300.000 Besuchern statt. In der ganzen Stadt wurde alles gesperrt, sodass kein einziges Auto auf die Straße konnte. Die Feier dauerte inklusive Hin,- und Rückfahrt ca. 4 Stunden. Ein unvergesslicher Abend und das größte Spektakel das ich bis jetzt miterleben durfte. Im Mittelpunkt des Geschehens stand das Wahrzeichen von Buenos Aires, der riesige Obelisk. Egal ob Musiker, Tänzer, Akrobaten, jede Show war unglaublich! Die Stimmung unter den Teilnehmern und auch unter den Zusehern war kaum zu übertreffen. Wirklich ein gelungener Start in diese Olympiade und ich durfte dabei sein!
Zwei Tage später war es endlich so weit, der große Tag! Unser Tag begann schon sehr früh, als wir mit dem Bus zum „Urban Park“, dem Austragungsort, gebracht wurden. Im „Urban Park“ fanden neben dem Klettern auch die Bewerbe in Basketball, Breakdance und BMX & Skateboard statt. Natürlich merkte ich die steigende Anspannung, doch ich versuchte ruhig, konzentriert und fokussiert zu bleiben. Mit der gewohnten Aufwärmroutine begann ich mich auf die bevorstehende Speedqualifikation vorzubereiten. Davor gab es noch zwei „Practicedurchgänge“ in welchen sich die Athleten noch etwas auf die richtige Qualifikation antesten bzw. aufwärmen konnten. Alles verlief nach Plan und nur wenige Minuten später begann nun also der Wettkampf. Mein erster Lauf auf der Speedroute war verhältnismäßig gut. Ich hatte einen guten Start, doch fiel bei den letzten zwei Zügen aus der Route. Ich hatte keine Ahnung was gerade passiert war, bis ich nach ein paar Sekunden ein heftiges Pochen an meinem Knie verspürte. Ein kurzer Blick reichte um das Blut und den Riss an Oberfläche meiner Kniescheibe zu erkennen. Nachdem ich nicht der geborene Chirurg bin und der Anblick von Blut ein gewisses Unbehagen in mir verursacht, wurde mir sofort ziemlich schwindlig und ich dachte, dass ich mich übergeben müsste. Keine Minute verging bis ich mit Tape und ICE Spray auf einer Bank von unserem mitgereisten Trainer, als auch Physiotherapeut, behandelt wurde. Aufgrund dieses Vorfalles hatte ich im ersten Durchgang keine Zeit und musste den Zweiten daher eher locker angehen, um die Zeitnehmung diesmal auszulösen. Denn mit einem Fehlstart oder zwei Stürzen und ohne Zeit, ist man automatisch letzter. Meine Trainingsbestzeit liegt derzeit bei ungefähr 8.40 Sekunden, was aufgrund der nicht optimalen Trainingsbedingungen und der kurzen Vorbereitungszeit in dieser Disziplin ganz okay ist. 9.20 Sek. brauchte ich im zweiten Lauf und belegte somit im Speed den sehr enttäuschenden 18. Platz. Mit der, ohne dem Patzer, höchstwahrscheinlich erreichten 8er Zeit im ersten Lauf, hätte ich bis zu sechs Plätze gut machen können, was im Hinblick auf die Kombinationswertung extrem wichtig gewesen wäre.
Die Ausgangsposition für die kommenden beiden Disziplinen war jetzt natürlich alles andere als gut. Ich musste fast eine Runde, also entweder Boulder oder Lead, gewinnen, um ins Finale der Top 6 einziehen zu können. Es war schwer, nach diesem Rückschlag noch motiviert zu bleiben. Vor allem im Kopf spielte sich jetzt viel bei mir ab. Logischerweise auch einige negative Gedanken. Nichts desto trotz, versuchte ich aufs Neue, mein Bestes zu geben. Mit einem Top im ersten Boulder fing die Boulder Qualifikation zwar ganz gut an, jedoch blieb dies auch mein Einziges. Aufgrund der scharfen Reibung der Griffe, die hohe Belastung der Haut und auch wegen der Hitze, holte ich mir schon im zweiten Boulder zwei blutige Finger und musste von nun an mit Tape klettern. Natürlich ist es auch mit Tape auf den Fingern möglich zu klettern, doch Vorteil ist es auf jeden Fall keiner. Man hat viel weniger Grip und auch weniger Gespür in den Fingern. Bei nicht Abtapen einer blutigen Stelle, kann es sogar zu einer Disqualifikation kommen, deshalb war ich verpflichtet dies zu tun. Ich erwischte also auch im Bouldern, eher überraschend, eine schlechte Runde. Mit hohen Erwartungen musste ich mich also mit dem 11. Rang zufriedengeben. Verärgert und aufgebracht ging ich zurück in die Isolationszone. Um ins Finale zu kommen, musste ich den Leadbewerb gewinnen, was natürlich extrem schwer war. Mit Wut im Bauch stieg ich in die Tour ein und ging in Führung. Ich kletterte zügig und sehr entschlossen, was mich um einige Griffe weiterbrachte, als den zu dem Zeitpunkt Zweitplatzierten. Am Ende kletterten doch noch 4 Athleten mit einer etwas anderen und vielleicht besseren Lösung für diese Sequenz weiter, und ich holte mir den 5. Platz. Dies war wohl die einzige Vorstellung mit der ich an diesem Tag halbwegs zufrieden sein konnte. Wenige Züge fehlten mir zum Sieg, der mich doch noch ins Finale katapultiert hätte. So wurde es ein 15. Platz.
Natürlich war ich enttäuscht und verärgert, auch wenn es am Ende des Tages eine tolle Erfahrung war, olympische Luft zu schnuppern und als einer der ersten Kletterer diese Ehre haben zu dürfen. Die restliche Zeit verbrachte ich vorwiegend im olympischen Dorf, beim Zusehen anderer Sportarten und beim Sightseeing der Millionenstadt Buenos Aires. Nach fast drei Wochen freute ich mich aber auch schon wieder auf Zuhause. Schon wie die Hinreise, verlief auch der Rückflug problemlos, nur dass mir die Zeitumstellung dieses Mal um einiges mehr zu schaffen machte.
Im Großen und Ganzen war es ein unvergessliches Erlebnis, an welches ich immer gerne zurückdenken werde.

Sandras Athletenprofil

Nicolais Athletenprofil