Das erste Mal Bouldern in Bleau

Guide to Fontainebleau

Fontainebleau. Einmal besucht, lässt es nicht mehr los. Bei unseren zahlreichen Trips haben wir nicht nur einen eingefleischten Seilkletterer und Boulderhasser bekehrt. Denn Fontainebleau ist einfach traumhaft.

Es zählt zu den bekanntesten Bouldergebieten weltweit – und das nicht ohne Grund. Bereits vor über 100 Jahren kletterten Menschen auf den vielfältigen Felsblöcken im Wald von Fontainebleau. 1946 wurde hier der erste 6A Boulder weltweit, “La Marie-Rose”, erstbegangen. 7 Jahre später folgte die erste 7A, “La Joker”. Die Fontainebleau Skala dient als Bewertungssystem für die Schwierigkeiten von Bouldern und ist international verbreitet. Gerade wegen dieser Bekanntheit verschlägt es immer mehr Boulderliebhaber nach “Bleau” (sprich „Bloh“) bzw. “Font“. Auch wenn das Gebiet etwas südlich von Paris kein Geheimtipp mehr ist, lohnt sich die Reise hierher. Tim war mittlerweile schon 8 Mal hier, bei Vicky war es dieses Jahr der dritte Trip – und sicher nicht der Letzte.

Das Wichtigste auf einen Blick

Boulderführer: Bleau en Bloc (dicker Parcoursführer, optimal für den ersten Bleau Besuch), Fontainebleau Fun Bloc (Fototopo der bekannten Gebiete), Fontainebleau 5+6 Straight ups (Zentral/Süd oder West/Nord), Fontainebleau 7+8 Straight ups, Online auf bleau.info

Einkaufen: Intermarché in​ ​Oncy-sur-École (auch sonntags geöffnet), Carrefour in Villiers-En-Bière (großes Shoppingcenter), Supermärkte in Fontainebleau.

Unterkunft: Camping La Musardière (bei ​Milly-la-Forêt, zentral), Camping Les Prés ​(Grez-sur-Loing, südlich)​, www.airbnb.de. Guter Ausgangspunkt für einen Bouldertrip ist die Gegend um Milly-la-Forêt, Buthiers oder Barbizon.

Pausen-/Regentage: Schloss von Fontainebleau, Künstlerdorf Barbizon, Käseladen in Milly (am Marktplatz), Paris per Bahn, Disneyland, ​www.bleau.info​ nach Projekten durchforsten.

Beste Jahreszeit: Frühjahr oder Herbst, an Ostern herrscht Hochbetrieb. Wer mit kälteren Temperaturen um die 0 Grad kein Problem hat und besonders guten Grip möchte, kann auch im Winter viel Spaß in Bleau haben. Im Sommer wird es schon schwieriger, die Sloper festzuhalten, für einen gemütlichen Trip ohne große Ambitionen reicht es aber allemal.

!WICHTIG! Sandstein ist sehr empfindlich. Keine Stahlbürsten, nicht an nassem Fels bouldern, Kletterschuhe vorm Bouldern gut abputzen.

Der Fels und die Ethics

Die Blöcke in Fontainebleau bestehen aus Sandstein. Sie sind nicht – wie andere Bouldergebiete – Resultat von Felsstürzen (es gibt keine Berge in der Nähe), sondern wurden einfach von der Erosion verschont und stehen jetzt wie Eier in der ebenen Gegend herum. Das Gestein ist weicher als Granit oder Gneiß, was ein paar besondere Verhaltensweisen der Boulderer erfordert.

Sorgfältiges Befreien der Kletterschuhe von Sand ist die wichtigste, da sonst die Tritte sehr leicht abgerieben würden. Wenn die noch etwas härtere Oberfläche der Blöcke entfernt ist, ist der Erosion kein Einhalt mehr zu bieten. Aber mit Sand an den Schuhen rutscht man sowieso von den Tritten – insofern ist das Abputzen doppelt im Sinne der Boulderer.

Aus dem gleichen Grund sollte man mit dem Putzen von Griffen aufpassen. Stahlbürsten und ähnliches wären katastrophal für die Boulder, ebenso wie gewaltsames Scheuern mit normalen Bürsten. Trotzdem solltet ihr natürlich nach dem Bouldern Chalk von den Griffen bürsten und Tickmarks entfernen.

Außerdem gehört zu den Ethics in Fontainebleau, dass man sich an Pfade hält, nicht im Wald schläft und keine Lagerfeuer macht – mehr auf ​www.bleau.info/ethics​.

Der Style

Typisch und anfangs verhasst sind die ungewöhnlich runden Ausstiege der Boulder. Man bekommt nicht etwa angenehme Kanten in die Hand, sondern oft nur abschüssige Sloper. Während der Oberkörper schon im flacheren Teil hängt, sieht man keine Tritte mehr und die einzige Chance ist, sich der berühmten Wal-, Robben-, oder Krebstechniken zu bedienen, indem man sich mit unschönen, ruckartigen Bewegungen und viel Reibung des ganzen Körpers nach oben arbeitet. Das hämische Gelächter der Spotter und Zuschauer muss man in dem Moment einfach ausblenden – ihnen wird es beim nächsten Boulder genauso ergehen!

Fontainebleau steht für Technik. Die dortigen Platten lehren erstklassige Fußtechnik und Vertrauen in den Gummi, denn ohne diese Eigenschaften kommt man nicht vom Boden weg. Die Platten sind sowieso ein Kapitel für sich. Wenn euch Bouldergrade am Herzen liegen, solltet ihr bei Platten den Topo erst gar nicht aufschlagen, denn irgendwie sind sie alle sehr, sehr schwer bewertet. Es gibt kaum einen Boulderer, der nicht schon in 3er oder 4er-Platten sein Selbstbewusstsein komplett verloren hat.

Im Gegensatz dazu sind einige Boulder anderer Stile relativ leicht bewertet. Dazu zählt der typische “Hallenstyle”: Weite Züge im Überhang, vielleicht ein Sprung – da lacht das Ego der Grade-chaser. Bleau ist berühmt für seine vielen Sloperboulder. Doch auch Crimps kommen nicht zu kurz: Mancherorts ist im Sandstein etwas Quarz eingeschlossen, was oft Leisten entstehen lässt. Die einen angenehm und groß, andere aber winzig und scharf. Für jeden ist etwas dabei. Es gibt Überhänge, Dächer, viele Kanten und unglaublich viele Platten.

Science Friction (6B+) in Apremont
L'Aérodynamite (7B+)

Eine Menge leichter Boulder

Bleau ist vielfältig, gespickt mit qualitativ hochwertigen Bouldern und ist für jedes Kletterniveau geeignet. Anders als in neueren Bouldergebieten, wo es erst ab dem siebten Grad viele (lohnenswerte) Boulder gibt, ist es in Fontainebleau ganz anders: Es wurden erst die 2er, 3er und 4er erschlossen – weil man damals einfach noch nicht schwerer bouldern konnte. Erst nach und nach entwickelte sich das Klettern weiter und die Schwierigkeitsgrade wuchsen langsam nach oben. Dadurch entstand eine unglaublich breite Basis an leichten und sehr leichten Bouldern, die nach wie vor gern beklettert werden.

Das Besondere in Fontainebleau sind die Parcours. Boulder ähnlicher Schwierigkeiten wurden zusammengefasst, farblich markiert und durchnummeriert. Sie umfassen zwischen 20 und 70 Boulder und sind ein großartiger Weg, Fontainebleau und seine Eigenheiten näher kennenzulernen.

Einen Parcours (englisch: circuit) hat man “geschafft”, wenn man alle Boulder der gleichen Farbe innerhalb eines Tages geklettert hat. Meistens bestehen sie aus sehr unterschiedlichen Bouldern, sodass – wie bei Kletterwettkämpfen – das volle Bewegungsrepertoire der Kletterer abgefragt wird.

Es gibt Parcours extra für Kinder, Parcours, bei denen man fast nie den Boden berühren muss, Parcours für die Hardmover (die erst wenige Menschen überhaupt an einem Tag geschafft haben) und Parcours für alle zwischendrin. Und selbst wenn ihr nicht das Ziel habt, alle Boulder an einem Tag zu schaffen, so helfen die farbigen Nummern trotzdem dabei, auf den ersten Blick die grobe Schwierigkeit des Boulders festzustellen. Ein ruhiges Gebiet, in dem ihr gut euren ersten Parcourstag in Fontainebleau verbringen könnt, ist ​Rocher St. Germain​. Dort gibt es gut markierte Parcours an niedrigen Bouldern mit super Absprunggelände. Vor allem der gelbe Parcours ist zu empfehlen.

Die wichtigsten Sektoren

Das Bouldergebiet von Fontainebleau ist riesig. Erfahrungsgemäß reichen selbst 10 Trips nicht, um alle Sektoren auch nur besichtigt zu haben. Das liegt sicher daran, dass die besten Gebiete und ihre bekannten Boulder wieder und wieder locken. Die Projektliste ist nach den Urlauben meist länger als vorher.

Die folgenden Sektoren gehören zu den beliebtesten. Entsprechend voll kann es an Wochenenden und Feiertagen werden, doch sie sind es wert, besucht zu werden. Weiter unten stellen wir auch noch den ein oder anderen „Geheimtipp“ vor, wo definitiv weniger Menschen anzutreffen sein werden.

Bas Cuvier

Bas Cuvier ist das geschichtsträchtigste Gebiet. Hier enstanden Meilensteine der Bouldergeschichte wie “La Marie-Rose”, die erste 6A der Welt. An ihr beißen sich auch heutzutage noch viele Anwärter die Zähne aus, denn dieser Grad ist in Fontainebleau nicht zu unterschätzen. Selbst wenn die Griffe und Tritte noch den gleichen Grip wie vor 50 Jahren hätten, wäre Marie eine harte Nummer. Am Gleichen Block befindet sich mit “La Joker” auch die erste 7A weltweit, die mit einem beeindruckenden Überkreuz-Move aufwartet. Ein paar Schritte weiter liegt ein Block, an dem sich der berühmte “L’Hélicoptère”, 7A, befindet. Der Name rührt wahrscheinlich von den helikoptierenden Beinen her, die an der Dachkante wild durch die Gegend fliegen. Der schlechte Sloper mit links hält nämlich bei Normalsterblichen nicht, wenn man mit rechts auf den Henkel zieht. Dadurch muss man den Henkel schnell doppeln und man bekommt die charakteristische Drehbewegung. Das Meer aus Matten unter dem beliebten Boulder dämpft hoffentlich alle Fehlversuche.

Die Felsen von Bas Cuvier stehen auf ebenem Sandboden – einer neben dem anderen. Die hohe Blockdichte und das super Absprunggelände sorgen für die Popularität; genau wie die Nähe zum Parkplatz. Einziger Nachteil des Gebiets ist die Verschmutzung in Parkplatznähe. Hier liegt viel Müll herum, der durch die nächtliche Anwesenheit von Damen in High Heels produziert wird. Augen zu und durch!

La Marie Rose (6A)

95.2, 91.1, Cul de Chien

Diese drei benachbarten Gebiete fallen durch ihren wüstenhaften Charakter auf. Ein riesiger Strand, nur ohne Meer – ein Paradies für Kinder. Und auch eins für Boulderer, denn überall verstreut liegen die Sandsteinblöcke. Die Sektoren 95.2 und 91.1 liegen auf kleinen Hügeln und die Zahlen stehen für ihre Höhe über dem Meeresspiegel.

Zu den „Must-do“-Bouldern in 95.2 zählt das „P’tit Toit“ („Kleines Dach“), 6B, welches an einer niedrigen Dachkante mit vielen Heelhooks traversiert und in einem sauschweren Mantle endet. Was hat dieser Boulder schon Haut und Nerven gekostet!

Gleich daneben steht eine große Platte mit mehreren (leicht bewerteten, aber nicht zu unterschätzenden) Bouldern, die eine hervorragende Schulung für die Fußtechnik sind. Allen, die es noch schwerer brauchen, seien die Boulder „Retour aux Sources“, 7A, „Tentation“, 7A, und „Symbiose“, 7C, empfohlen.

Der namensgebende steinerne Hundekopf des Sektors Cul de Chien ist wegen Einsturzgefahr zwar nicht mehr zum Bouldern freigegeben, doch er steht immer noch malerisch in der Sandlandschaft herum. Zum Glück gibt es hier auch viele andere schöne Boulder, beispielsweise das hohe „Toit du Cul de Chien“, 7A. Ein schmales Zweifingerloch und ein viel zu hoher Hook führen zu einer Tasche an der Dachkante und dann zu einem spektakulären, aber henkligen Ausstieg.

Le P'tit Toit (6B+)
Le Chasse Pied (4+)

Roche aux Sabots

Ein weiteres tolles Gebiet ist Roche aux Sabots. Die Boulder des blauen und roten Parcours sind nicht zu hoch, abwechslungsreich und haben exzellentes Absprunggelände. Es fällt außerdem immer die große Menge an beliebten 7As auf, beispielsweise die beiden Sprünge „Jet Set“ und „Legalize This“ oder die Überhänge von „L’Oblique“ und „Jeu du toit“. „Graviton“ – ebenfalls 7A – ist ein guter Lehrgang für runde und abschüssige Ausstiege. Und der Name passt!

Ist euch Sabots zu voll, gibt es eine nette Alternative, die vom gleichen Parkplatz aus erreichbar ist: ​Roche aux Oiseaux. Dieses Gebiet ist zwar viel kleiner als sein Nachbar, aber die Boulder sind mindestens genauso gut. Den Eindruck dominieren hier nicht Sand und Bouldererhorden, sondern Bäume und weicher Waldboden. Hier solltet ihr euch „Action Directe“ und „Brazil“, beide 7A, ansehen.

Le Jeu du Toit (7A)
Le Perroquet Vert (7B+)

Franchard Isatis

Isatis liegt in einem lichten Nadelwald. Es beginnt direkt hinter dem Parkplatz und zieht sich weit nach hinten – und mit jedem Schritt sieht man weniger Boulderer, aber nicht weniger Boulder! Hier solltet ihr eure Hängematte nicht vergessen; es gibt viele Spots, von denen aus ihr gute Aussicht auf schwer arbeitende Boulderer habt.

Im vorderen Teil gibt es viele schöne Platten. Ein überhängender Klassiker war „Le Surplomb Statique“, 6A+, bis der Riesenhenkel ausgebrochen ist. (Nicht bei Nässe klettern!) Im neuen Zustand des Boulders muss man fester zupacken und man macht eine 6C. Testpieces sind auch die beiden Boulder „El Poussah“, 7A, und „El Poussif“, 7A+. Klettert man die Kante von „L’Angle Ben’s“, 7A+, auf der linken Seite statt auf der rechten, bouldert man mit „L’Angle du Sérac“ eine wunderbar technische 6B. Ebenfalls waldig und kinderfreundlich, aber weniger überlaufen ist das kleine Gebiet ​Petit Bois​ im Süden des Waldes.

L’Angle Ben’s (7A+)

Éléphant

Der Bouldersektor Éléphant ist ein weiteres Gebiet mit vorwiegend sandigem Boden. Den Namen gibt ein hoher steinerner Block, der einem Elefanten ähnelt. Viele Boulder unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade und Stile führen ihm auf den Rücken. Das Gebiet hat den Ruf, viele Highballs zu beheimaten, was zwar stimmt – doch es gibt auch einige niedrige Blöcke. Eine empfehlenswerte 6C ist die weitzügige „La Voie Michaud“, die Boulderern mit Hallenhintergrund gut liegen könnte. Bekannt ist auch der Boulder „Le Coeur“, 7A, mit seinem herzförmigen Cruxgriff. Der ist so schön, dass es ihn auch als Plastikgriff gibt. Vielleicht ist er euch in eurer Halle ja schon aufgefallen! Einzeln auf dem großen Sandfeld liegt der Lépreux-Block, der eine Menge einfacher Boulder, aber auch eine 7A anbietet.

Ein Highball muss hier aber trotzdem empfohlen werden, nämlich „Le Gruyère“. Ein beeindruckendes, etwa 8 Meter hohes, leicht überhängendes Stück Fels mit den besten Henkeln von unten bis oben, die ihr je in den Händen hattet. Er checkt bei 5+ ein und wenn ihr ausreichend Pads dabei habt, solltet ihr ihn definitiv mal probieren.

Bei diesem Sektor ist es sehr wichtig, nicht nach Regen zu bouldern, da der Fels dort noch weicher ist als in anderen Sektoren. Wenn eure Finger aber nach einem Regentag unbedingt an den Fels wollen, ist das kleine Gebiet ​Gorge aux Chats zu empfehlen. Es liegt auf einem kleinen Hügel, wo der Wind die Felsen schnell trocknet. Dort kann man erfahrungsgemäß schon ein paar Stunden nach einem Schauer wieder optimal bouldern. Schöne Boulder dort sind “Rubis sur l’Ongle”, 7B+, und “Sa Pelle au Logis”, 7A.

Le Gruyère
Gorge aux Chats
Frankenjura Kletterer

Steckbrief – Frankenjura Duo

Vicky

Baujahr: 1993
klettert seit: ca. 4 Jahren
arbeitet: VWL Studium und nebenbei in der Boulderhalle als Trainerin
mag: Crimps, hohe Hooks, geputzte Griffe, dunkle Schoki, Kaffee
mag nicht: Untergriffe, kalte oder nasse Felsen, Kompressionsboulder, zu wenig Fingerhaut
mag manchmal: Dynos, weite Züge
aufgewachsen: in Moosburg a.d. Isar, wohnt jetzt in Bamberg
kletterte: Zwei 7cs, zB Red Line im Frankenjura
boulderte: Eine 7C, Warhammer im Frankenjura

Tim

Baujahr: 1994
klettert seit: ca. 8 Jahren
arbeitet: Informatik-Studium – es fehlt nur noch die Masterarbeit
mag: Dynos, Crimps, klare Boulder, entspannte Klettertrips
mag nicht: Definierte Boulder, Mantels, Patschboulder, lange Zustiege
mag manchmal: Seilklettern
aufgewachsen: in Passau, jetzt in Erlangen
kletterte: Eine 8a+, Fingerfood im Frankenjura
boulderte: Zwei 7C+, zB Poison Dwarf direct in den Rocklands

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