Teil 5
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL
Willkommen zum letzten Blogeintrag unserer Ernährungsserie. Wir haben uns von der Ernährungspyramide von Eric Helms inspirieren lassen und haben jeder Pyramidenstufe einen eigenen Artikel gewidmet. Ein letztes Mal zeigen wir euch die bereits altbekannte Pyramide nach Eric Helms.

An der Spitze der Pyramide befinden sich die Nahrungsergänzungsmittel, brauchen wir das als sportliche aktive Menschen, als Kletterer? Wenn man sich daran orientiert, was wir im Fernseher und Social Media darüber sehen, mag es fast so erscheinen, als ob diese sogenannten „Supplements“ einen unverzichtbaren Platz in einer gesunden Ernährung für Sportler hätten. Die Wahrheit ist wie in den meisten Fällen etwas differenzierter.
In der Regel, also wenn wir uns ausgewogen ernähren, dann haben wir keinen Bedarf an Nahrungsergänzungsmittel. Eine ausgewogene Diät mit frischen saisonalen Produkten, die unserer Energiebilanz entspricht, ist und bleibt unser bestes Rezept um unseren Bedarf an Makro- und Mikronährstoffen zu decken. Nahrungsergänzungspräparate bestehen aus keinen neuen oder seltenen Substanzen, welche wir nicht mit einer ausgewogenen Nahrung abdecken könnten. Die Werbung übertreibt hier manchmal und möchte uns etwas anderes glauben machen, aber unter keinen Umständen vervollständigen Supplements eine inkorrekte Ernährung. Die bittere Realität ist, dass kein einziges Nahrungsergänzungsmittel unsere normale Nahrungsaufnahme ersetzen kann, sie sind der Feinschliff (deswegen auch an der Pyramidenspitze) und können nicht helfen, wenn der Makros/Mikros-Haushalt auf der Basis nicht stimmt. Bei gesundem Menschen kann die Deckung von Vitaminen und Mineralstoffen durch die zusätzliche Zufuhr von Nährstoffen als eine temporäre Maßnahme angesehen werden, aber ist auf keinen Fall eine Dauerlösung. Bei einem Nährstoffmangel muss die Ernährung schnellstmöglich angepasst und umgestellt werden! Es gibt allerdings Situationen, wo eine Einnahme von ergänzenden Präparaten sinnvoll sein kann:
- Proteinmangel;
- zur Unterstützung nach intensiven Trainingseinheiten;
- zu Regenerations- und Heilungszwecke.
Das gilt allerdings nur für diejenigen, welche sich sowieso schon gesund und ausgewogen ernähren und regelmäßig trainieren, daher mindestens dreimal pro Woche oder häufiger. Diese Sportler können manche bewährte Nahrungsergänzungsmitteln unter Vorbehalt zu sich nehmen. Die eingenommen Nahrungsergänzungsmittel dienen dann sozusagen als Feinschliff zur korrekten sportlichen Basisernährung. Eine Ausnahme bilden hier allerdings die Omega 3-Fettsäuren (mehr dazu später).
Im Folgenden stellen wir euch einige für uns Kletterer geeigneten Nahrungsergänzungsmitteln vor und werden sie im Detail besprechen.
PROTEINPULVER
Wer dreimal pro Woche oder häufiger klettert bzw. trainiert wird nicht automatisch zum Leistungssportler, doch hat diese Person bereits eine andere Beziehung zu seinem Körper als eine Chips und Coach-Potato.
Wir haben es in dieser Serie bereits öfters erwähnt und wiederholen es auch hier wieder, der Eiweißbedarf kann grundsätzlich über die normale Nahrung abgedeckt werden. Allerdings kann ein dauerhaftes intensives Training einen vermehrten Protein Ab- und Aufbau verursachen. Im Vergleich mit jemanden, welcher keinen Sport betreibt, haben Athleten einen erhöhten Proteinbedarf. Dieser erhöhte Bedarf ist mit echten Lebensmitteln manchmal schwer zu decken, besonders wenn keine Zeit zum Kochen bleibt oder bei bestimmten Ernährungsgewohnheiten. Proteinpräparate kommen genau dann ins Spiel, wenn es schwerfällt, genug Eiweiß durch die Nahrung aufzunehmen. Unter den zahlreichen Proteinpulver, welche angeboten werden, haben sich die Molkenproteine (auch „Whey“ genannt) am besten bewährt. Sie sind schnell verdaulich und reich an wertvollen Aminosäuren.
Ebenfalls eine gute Quelle von Eiweiß ist eine weitere Sorte von Proteinpulver, die Casein genannt wird, weil sie von Milchcasein gewonnen wird. Im Vergleich mit Whey wird Casein sehr langsam vom Körper aufgenommen und ist damit optimal für Fastenzeiten oder um den Körper über Nacht mit mit Protein zu versorgen. Whey und Casein werden direkt im Wasser aufgelöst und sind sofort trinkbereit, der Geschmack von Proteinpräparaten ist allerdings nicht so jedermanns Sache. Eine Alternative dazu sind Proteinriegel, die neben Proteinpulver auch ganze Zutaten wie Reis, Soja oder trockenes Obst enthalten. Hier ist Vorsicht geboten: manche Proteinriegel sind nur „maskierte“ Sportriegel und voll von unnötigem Zucker und Fetten. Ihr solltet deshalb die Zutatenliste genau lesen.

Nicht alles, was als Proteinriegel angeboten wird ist einer.
KOFFEIN
Ist Koffein eigentlich ein Nahrungsergänzungsmittel? Zur Freude aller Kaffee-Liebhaber unter uns ja. Schon Wolfgang Güllich sagte, „Kaffeetrinken ist integraler Bestandteil des Kletterns“ und er hatte damit vollkommen recht. Koffeinreiche Getränke wie Kaffee und Tee sind auf der ganzen Welt verbreitet und werden von den unterschiedlichsten Völkern und Kulturen konsumiert. Kaffee und Tee schmecken nicht nur gut, sie enthalten auch Koffein, welches nichts anderes ist, als ein natürliches Nervenstimulant (übrigens, Kakao enthält ebenfalls eine kleine Menge Koffein). Koffein hat bewiesene positive Effekte, unter anderem steigt die Aufmerksamkeit, es schärft unsere Reflexe und verleiht allgemein eine bessere Konzentrationsfähigkeit. Als ob das noch nicht genug wäre, verbessert Koffein die Oxidation von Fetten, d.h. es regt die Fettverbrennung an. Last but not least, bei körperlicher Anstrengung kann Koffein den Gebrauch unseres Glykogenspeichers verringern und dadurch unsere Muskelausdauer verlängern.
Kletterer und Sportler können durch diese positiven Effekte von Koffein profitieren: die eigene Aufmerksamkeit wird verbessert, die Muskelkontraktion steigt und die Müdigkeit nimmt ab. Nichtsdestotrotz ist es auch gut zu wissen, dass Koffein auch eine Funktion als Vasokonstriktor (Stoffe, welche Gefäße im Körper verrengen) hat. Koffein ist deswegen nicht zu empfehlen bei zu hohem Blutdruck und chronischen Kopfschmerzen. Achtung, Koffein kann natürlich auch süchtig machen und Nebeneffekte wie Zittern, Unruhe und Schlafstörungen verursachen! Wie und wann sollte Koffein zu sich genommen werden? Kurz vor dem Aufwärmen ist der richtige Zeitpunkt, weil es sehr schnell von unserem Körper absorbiert wird. Das Koffein einer Tasse Kaffee erreicht in 20 Minuten unsere Blutbahn und braucht dann noch weitere 30-40 min bis es komplett wirkt. Wenn Ihr Koffein nur gelegentlich zu euch nehmt, sind die Effekte sogar noch verstärkt, da euer Körper keinen Gewöhnungseffekt hat. Wissenschaftliche Studien empfehlen aus diesem Grund eine „Koffeinpause“ von 7 Tagen vor einer leistungsorientierten Einnahme, um den vollen Effekt zu entfalten.

Ein Espresso vor dem Klettern kann die Leistung steigern.
OMEGA 3
Wenn wir ein einziges Nahrungsergänzungsmittel empfehlen müssten, dann wäre es Omega 3. Diese Fettsäuren gehören zu den „guten“ und wichtigsten Fetten für den menschlichen Organismus. Erinnert Ihr Euch an unsere Empfehlungen am Anfang dieses Artikels? Omega 3 stellen die einzige Ausnahme dazu dar. Es ist oft schwer, adäquate Mengen an Omega 3 zu sich zunehmen, es sei denn, Ihr könnt mindestens zwei mal in der Woche Fisch essen: Omega 3 befinden sich ausschließlich in fettigen Kaltwasserfischen wie Lachs und Makrele und in sehr niedrigen Mengen in Leinöl, Leinsamen und Chiasamen. Aber prinzipiell gilt auch hier, es ist besser Fisch zu essen als Omega3/Fischöl-Kapseln einzunehmen. Dabei ist es egal, ob Ihr euer Gericht aus frischem oder tiefgekühltem/konserviertem Fisch zaubert. Aus Fisch gewonnene Omega 3-Fettsäuren sind besser verfügbar und absorbierbar von unserem Körper. Alternativ können auch angereicherte Lebensmittel wie Omega-3-Brot oder -eier gegessen werden. Wenn es wirklich nicht anders geht, dann besorgt euch Omega 3-Fettsäuren in der Form von Nahrungsergänzungsmittel, um auf diese wertvollen Nährstoffe nicht komplett zu verzichten.
Aber warum empfehlen wir euch das? Was sind die positiven Effekte von Omega 3? Auf jedem Fall einmal die Verbesserung der Gehirnkapazität. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass sie die mentale Leistung verbessern und auch bei psychischen Erkrankungen wie Depression unterstützten können. Weiters besitzen sie eine starke entzündungshemmende Funktion, die sowohl für unser Gehirn als auch für unseren Körper sehr förderlich ist. Omega 3-Fettsäuren machen Zellmembrane und Blutgefäße flexibler, geschmeidiger und fördern die Durchblutung. Dadurch verbessern sie die Regeneration, die Ausdauer und unterstützen den Muskelaufbau. Bei der Zufuhr von Omega 3 über Nahrungsergänzungsmitteln ist es wichtig, Lebensmittelfett mit zu konsumieren. Omega 3 is fettlöslich und benötig andere Fette, damit es abgespaltet werden kann und damit gut vom Körper aufgenommen werden kann.

Omega 3 findet Ihr in Kaltwasserfischen wie Lachs.
VERDAUUNGSENZYME UND PROBIOTIKA
In unserem Artikel zum Mahlzeitentiming sind wir schon kurz in die Thematik eingestiegen, wie die Verdauung unsere sportliche Leistung beeinflusst und verbessern kann. Das ist allerdings nur ein kleiner positiver Effekt, eine korrekte und effiziente Verdauung kann unsere gesamte Gesundheit verbessern.
Beim Verdauungsprozess werden Verdauungsenzyme von unserer Bauchspeicheldrüse produziert. Sie sind nicht anders als Substanzen, die dem Körper dabei helfen, die Nahrung zu verdauen: das heißt, sie spalten die wichtigen Makronährstoffe – Proteine, Kohlehydrate und Fette – in kleinere Einheiten, damit wir sie absorbieren können. Unter normalen Umständen produziert unser Körper genügende Enzyme für sämtliche Verdauungsvorgänge. Die Produktion von Verdauungsenzymen kostet unseren Körper allerdings viel Energie. Das ist der Grund warum wir uns nach einer großen oder schweren Mahlzeit müde fühlen. Unsere ganzen Ressourcen werden zum Verdauungssystem umgeleitet und stehen für andere Aktivitäten, z. B. Klettern, nur begrenzt zur Verfügung. Ungewöhnliche Zustände wie ein sehr heißes oder kaltes Klima, Flugreisen und besondere Stresssituationen belasten unseren Körper und verringern die körpereigene Fähigkeit, Enzyme herzustellen. Wer sich in einer dieser Situationen befindet, kann mit der Einnahme von künstlichen Verdauungsenzymen den eigenen Enzymspiegel wieder ins Gleichgewicht bringen.
Probiotika bilden eine weitere Kategorie der Nahrungsergänzungen, welche eine verdauungsfördernde Aktion haben, weil sie Milchsäurebakterien enthalten. Diese Bakterienstämme stärken die Darmgesundheit in dem sie den Anteil an „guten“ Mikroben in unserer Darmflora erhöhen. Sie unterstützen auf diese Weise nicht nur die Verdauung, sondern üben auch einen positiven Einfluss auf unser Immunsystem aus. Wie bei den körpereigenen Enzymen können auch hier belastende Situationen wie Stress, exzessives Training und einer ungesunden Ernährung eine Fehlsiedlung von Mikroben verursachen. Die Folge davon ist, dass die „schlechten“ Bakterien sich vermehren und unsere Mikroflora aus dem Gleichgewicht gerät. Wo finden wir Milchsäurebakterien? Probiotischer Joghurt, Kefir, Apfelessig, Kimchi und Sauerkraut sind gängige Beispiele von probiotischen Lebensmitteln.

Ein Kefir-Drink enthält auch Probiotika.
NAHRUNG FÜR DIE GELENKE
Jetzt ein kleiner Exkurs in die Welt der menschlichen Anatomie. Gelenke sind die beweglichen Verbindungen zwischen zwei oder mehrere Knochen. Jedes Gelenk hat eine Gelenkfläche, die auf der anderen Gelenkfläche gleitet. Jede Gelenkfläche wird von einer glatten Knorpelschicht überzogen, damit die beiden Gelenkflächen bei Bewegung nicht aneinander reiben. Diese Knorpelschicht wirkt außerdem wie ein Stoßdämpfer, fängt den Druck ab und verteilt ihn gleichmäßig auf die Gelenkknochen. Der normale Alterungsprozess gepaart mit einem intensiven Training können unsere Gelenke so stark beanspruchen, dass sie zusätzliche “Schmiere” benötigen.
Chondroitinsulfat und Glucosaminsulfat sind besonders wichtige Knorpelbestandteile und haben sich für aufgrund ihrer stoßdämpfenden Funktion und Gleitfähigkeit gut bewährt. Chondroitinsulfat stimuliert sogar die Bildung von neuem Knochengewebe. Studien haben gezeigt, dass diese zwei Substanzen die Heilung von einigen Gelenkverletzungen unterstützen. Sie werden häufig zusammen mit MSM (organischer Schwefel) und Hyaluronsäure (ein Bestandteil vom Bindegewebe) verkauft. Chondroitin- und Glucosaminsulfat benötigen in der Form von Nahrungsergänzungsmittel 4-6 Wochen Einnahmezeit bevor sie überhaupt funktionieren können. Ein 6-Wochen-Zyklus gefolgt von einer 6-wochige Einnahmepause werden aus diesem Grund empfohlen.
Informiert euch
Noch ein wichtiger Hinweis, wie sind weder Ärzte, noch Apotheker, noch Ernährungsberater. Wir sind einfach kletterbegeisterte Leute wir Ihr, die sich gerne informieren um sich damit eine freie, eigene Meinung zu bilden. Wir finden, dass es sehr wichtig ist sich entsprechend selbst zu informieren und auch verschiedene Meinungen und Standpunkte zu kennen. Die hier dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der neutralen Information, stellen keine Empfehlung dar und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ersetzen keinesfalls die fachliche Beratung und dürfen nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Wir wollen damit euren Appetit auf mehr anstoßen euch zu informieren um dann die richtigen Entscheidungen für euch selbst zu treffen.
Die erwähnten Nahrungsergänzungsmittel, wie alle anderen eingenommenen körperfremden Substanzen, können unerwartete Nebenwirkungen verursachen. Bestimmte Menschen können anfälliger für solche Nebenwirkungen sein, daher immer zuerst einen ausgebildeten Spezialisten aufsuchen, bevor Ihr beginnt etwas einzunehmen. Handelt vorsichtig und verständnisvoll gegenüber euch selbst, macht euch mit eurem Körper vertraut und hört auf seine Reaktionen, Ihr habt ja nur einen.
Referenzen:
- “The muscle & strength pyramid nutrition” Eric Helms, Andrea Valdez, Andy Morgan
- „The Protein Book“ Lyle McDonald
- „Checkliste Ernährung“ Paolo Suter, 2005

Steckbrief – Claudia
Ich bin Physiotherapeutin, Asien-Liebhaberin und eine etwas seltsame Kletterin. Ich komme ursprünglich aus Italien – genauer gesagt 138 Km von Arco entfernt – war dort aber noch nie klettern. Wenn ich draußen in der freien Natur bin, dann bevorzuge ich andere Aktivitäten wie Wandern, Laufen und Skifahren. Künstliche Kletterwände – je steiler, desto besser – sind dafür aber meine große Kletterleidenschaft. Ich kenne jede Kletterhalle in der Umgebung und wenn ich meinen Urlaub plane, achte ich immer darauf, dass es dort auch eine Kletterhalle gibt – Ihr findet mich dort auf jedem Fall!