Bouldern in Schweden
Ab in den Norden
Rote Holzhäuser, Kanelbullar (Zimtschnecken) und vor allem viel Natur und Felsen haben uns im Mai nach Schweden gelockt. Vicky hat schon mal ein Erasmussemester in Östersund verbracht und seitdem steht fest, dass wir auch mal einen Bouldertrip ins Land der Elche unternehmen müssen. Die Anreise von Erlangen Auto und Fähre dauert insgesamt ca. 20 Stunden. Wir würden uns definitiv wieder für die Fährenvariante entscheiden. Bei rechtzeitiger Buchung ist das nicht teurer als die Fahrt über die Storebelt- und die Öresundbrücke und verschafft gleichzeitig noch die Möglichkeit, sich etwas Pause vom Autofahren zu gönnen.
Röda Väggen
An unserem ersten Bouldertag nutzten wir das bewölkte Wetter und fuhren zum Röda Väggen, einer wirklich genialen, leicht überhängenden Wand. Wir lernten dort zwei nette Finninnen kennen, die uns gleich mal erzählen, dass wir die ersten anderen Boulderer sind, die sie seit einer Woche hier in Västervik treffen. Und tatsächlich, in den kommenden zwei Wochen stießen wir gerade mal auf 4 weitere Leute an den Blöcken. Da wir sowieso etwas Ruhe von Masterarbeit und Job gebrauchen konnten, waren das paradiesische Zustände für uns. Zugegeben, an manchen Tagen war es schon ziemlich warm und eine 8B möchte man bei 24 Grad und viel Sonne wahrscheinlich lieber nicht bouldern. Es gab aber auch windige und kühlere Tage, sodass Ende Mai definitiv noch eine empfehlenswerte Reisezeit für Västervik ist.

Weitblick im Naturreservat Fruberget

Lysningsbadet-Vattenrutschbana (6a)

Fruberget Biologi (7B)
Die Tatsache, dass Västervik zwar schon zu den bekannteren, aber nicht zu den überlaufenen, Bouldergebieten in Europa gehört, macht sich teilweise bei den Zustiegen bemerkbar. Diese sind manchmal sehr kurz und gut beschrieben, bei einigen Gebieten lohnt es sich aber, die einzelnen Blöcke erstmal ohne Pad zu suchen, vor allem wenn sie innerhalb des Sektors weit verteilt sind (Vo oder Fruberget). Am hilfreichsten fanden wir dabei die GPS-Koordinaten auf vastervikclimbing.se, denn den Skizzen im gedruckten Topo sollte man nicht immer vertrauen.
Wir hatten den Führer von Lorenz Ulmer im Gepäck, vor Ort haben wir uns aber an einer Kombi aus Guidebook, vastervikclimbing.se und 27crags.com orientiert. Auch bei den Bouldergraden gibt es immer wieder unterschiedliche Meinungen. Die Bewertungen der Erstbegeher werden hier als Vorschlag gesehen, der von den folgenden Begehern auch gerne Mal angepasst wird. Dadurch finden sich teilweise in allen drei Topos unterschiedliche Grade für denselben Boulder.
Västervik wartet mit einer Vielzahl von anspruchsvollen Bouldern auf und Klassiker wie Hourglass (8B) und Kraft (8A) locken immer wieder die Boulderelite an. Nach zwei Wochen Västervik können wir aber bestätigen, dass man auch in den leichteren Graden gut beschäftigt ist. Im Guide sind ca. 50 Boulder leichter als 6A, 187 Boulder im Bereich 6A – 7A+ und 131 Boulder zwischen 7B und 7C+ aufgelistet.
Wer mit dem Flugzeug anreist, kann sich im Kletterzentrum Västervik Crashpads für ca. 5 – 10 € pro Tag ausleihen. Die Kletter- und Boulderhalle wird von Stefan Rasmussen betrieben. Er gehört zu den fleißigsten Erschließern der Region; seinen Namen findet man im Topo am laufenden Band.
Der Fels
Auf der Reise nach Norden sieht man bereits ab Vimmerby am Straßenrand immer wieder Felsblöcke und man kann schon erahnen, welches Potenzial die Gegend besitzt. Die Felsen bestehen meistens, aber nicht ausschließlich, aus Granit. Dabei findet man abwechslungsreiche Kletterei – von Leisten, Slopern, Kompression bis zu Riesenkanten ist alles mit dabei. Nur wer unbedingt an Löchern klettern möchte, sollte doch lieber zu uns nach Franken kommen. Einige Gebiete, wie Lysingsbadet, sind sehr rau, während man in Fruberget viele glatte Kanten findet. Die meisten Landings sind gut und wir hatten das Gefühl, mit zwei Crashpads gut zurecht zu kommen. Ein weiterer großer Pluspunkt sind die sehr schnell trocknenden Felsen. Sobald es windig wurde, wurden die meisten Blöcke innerhalb weniger Minuten trocken geföhnt (z.B. Björnblocket oder Lilla Grottan). Bei hoher Luftfeuchtigkeit und Hitze können einige Gebiete aber durchaus auch lange „schwitzen“ (z.B. Fallataket).

Blaue Felsen?

Da lacht des Boulderers Herz

Viel Natur
Gebiete
Im Guidebook werden 22 Sektoren aufgelistet, die maximal 40 Minuten Autofahrt von Västervik entfernt sind. Die meisten befinden sich aber im näheren Umkreis der Stadt; trotzdem wird es ohne Auto schwierig, zu den Blöcken zu gelangen. Auch wenn die Anzahl der Sektoren in Västervik nicht mit Fontainebleau vergleichbar ist, haben zwei Wochen für uns bei Weitem nicht ausgereicht, alle Gebiete anzufahren. Die Beliebtesten haben wir uns aber alle mal angesehen und für euch hier zusammengefasst:
Fruberget
Das landschaftlich wunderschöne Fruberget ist ein gern bewandertes Naturschutzgebiet. Hier gibt es eine Ausnahme des Allemansrätten (Jedermannsrecht), es darf also nicht gecampt werden. Fruberget gehört zu den größeren Gebieten und ist in mehrere Sektoren unterteilt. Der parkplatznahe Sektor „Fat Cat“ besteht aus einigen attraktiven und meist schattigen Highballs und einem ebenso lohnenswerten, niedrigerem Block, der nachmittags in die Sonne kommt. V-väggen und Lilla Grottan befinden sich auf auf einem Steinplateau. V-väggen wandert schnell in den Schatten und bietet ganz einzigartige Felsstrukturen. Auf den ersten Blick wirken die Boulder dort ziemlich machbar, doch das ganze Ding ist abdrängender als es wirkt.
Der etwas weitere Weg zur schattigen Stora Grottan am Ende des Plateaus lohnt den Zustieg. Neben dem beliebten Kompressionsboulder Biologi (7B) gibt es eine beeindruckende Grotte, einen weiteren empfehlenswerten Block und ein paar schöne kurze Senkrechte Boulder im 5ten und 6ten Grad.
Empfehlungen: The Collector (7B), Beat (7A), Soil (7A), Pappen (6B), Jörpan (6B), Biologi (7B)

Fruberget – The Collector (7B)

Bosma (7A+), Sektor Stora Grottan
Björnblocket
The Houglass (8B) ist wohl der beeindruckendste und bekannteste Boulder in Västervik. Ein freistehender Block, der schnell trocken ist und mittags in den Schatten wandert lässt das Klettererherz höher schlagen. Doch nicht nur 8B-Boulderer kommen hier auf ihre Kosten. Der Stehstart checkt bei 7C ein und mit The Office (Sitzstart 8A, Stehstart 7B+) bietet der Block an seiner rechten Kante noch einen weiteren Drei-Sterne-Boulder. Klein aber fein kann man auch am Nebenblock oder auf der Rückseite ein paar 6er zum Aufwärmen machen.
Empfehlungen: The Office (Stehstart 7B+), für Stärkere: The Hourglass (8B)

Der Björnblocket
Mommehål 1+2
Mommehål 1 ist ein freistehender, beeindruckend hoher Block, der eine kleine aber sehr gute Auswahl an Bouldern liefert. Illusion (7C) liegt nordseitig, während die Art of Hype (8A)-Seite nach Süden ausgerichtet ist.
Fährt man mit dem Auto nur wenige Kilometer weiter, kommt man zu Mommehål 2. Ein sehr familienfreundliches Gebiet, dass viele 5er und 6er bietet. Es liegt auf einem kleinen Hügel, die Boulder sind meist sonnig, aber es gibt auch einige Bäume, die Schatten spenden. Empfehlungen: Kraft (8A), Illusion (7C), Gröna Röret (6B+)
Gröna Väggen
Gröna Väggen lockt mit einem Null-Minuten Zustieg und einem familienfreundlichen Wandfuß. Der Fels ist zwar südlich ausgerichtet, die Bäume vor der Wand bieten aber etwas Schatten. Im Zentrum stehen einige Sloperboulder wie Dr. Hook (7B+), aber auch die Leisten-Freunde unter uns werden hier fündig. Durch unzählige Kombinationen bietet der kleine Wandriegel eine große Anzahl an Boulderproblemen im 7ten Grad. Der ein oder andere 6er lässt sich hier aber auch finden.
Empfehlungen: Tremor (7B), Gröna Lanternan (7A+)

Gröna Väggen – Dr.Hook (7B)

Gröna Väggen – Gröna Laternan (7A)
Röda Väggen
Der Sektor Röda Väggen wirkt fast schon wie eine beeindruckende künstliche Boulderwand. Der Hauptteil des Sektors ist leicht überhängend mit klaren Linien und einem optimalen Absprunggelände. Die südliche Ausrichtung macht den Sektor zur optimalen Wahl an kühlen Tagen. Leistenliebhaber werden sich hier wohl fühlen, auch wenn einige Ausstiege plötzlich mit Slopergriffen überraschen.
Unsere Empfehlung: Full Contact (7A), The Way (6C+)

Röda Väggen – Full Contact (7A)
Fallataket
In Fallataket sind wir selber leider nicht gebouldert, aber wir haben uns das Gebiet angesehen. Hier können wir stark den GPS Punkt von vastervikclimbing.se empfehlen. Wir haben die Steinmännchen nicht sofort gefunden und sind erstmal 2 Stunden durch den Wald gewandert. Der Fels liegt fast märchenhaft etwas versteckt im Wald. Es ist dort eher kühl, bei uns war der Fels allerdings auch etwas feucht. Fallataket bietet einige 8As (David und Goliath wurde uns empfohlen) und eine beliebte 7A, Old Wood..

Auf der Suche nach Fallataket …
Lysingsbadet
Lysingsbadet gehört zu den familienfreundlichen Gebieten mit wenig Zustieg und gemäßigten Graden. Wir haben unseren letzten Urlaubstag dort verbracht und fanden das Gebiet perfekt, um noch einige leichtere Boulder zu machen. Dort kann man sich bei Bouldern im Bereich 3 bis ca. 7A austoben. Der Zustieg ist kurz, der Sektor liegt direkt am Campingplatz, und man hat eine wunderschöne Aussicht aufs Meer. Für den letzten Tag sollte man aber lieber Tape und Manox einpacken, denn die Blöcke dort sind ziemlich rau und hautfressend.
Unsere Empfehlungen: Dingel (6b+), Vingel (5C), Väntan på vingar (6b+)

Piggelin (5+) beim Sektor Centrum Blocken
Marstrand
In unserem Guide konnten wir zwar keine Information über Boulderverbote finden, bei einem Besuch des Gebietes Marstrand wurden wir allerdings mit diesem Schild überrascht. Aus Tierschutzgründen darf vom 15. März bis zum 31. Juli nicht gebouldert werden. Das Schild stand zwar erst kurz vor dem letzten Block, wir wollten aber keinen Ärger mit den Locals bekommen und sind weiter gefahren. Solltet ihr außerhalb dieses Zeitraums kommen, könnt ihr euch gleich am ersten Block an einem 7B+ Mantle von Ned Feehally versuchen (Living Sacrifice). Auch der „Big Overhang“ etwas weiter oben am Hang sah beeindruckend aus.

Im Frühling kein Bouldern am Marstrand
Vo
Vo liegt direkt am Stadtrand von Västervik. Die Blöcke liegen etwas verstreut, besonders zugänglich und schön am Wasser gelegen ist der Sjöstenen-Block. Wer sich an der bekannten 8A+ versuchen will, muss zum Namasté-Block etwas weiter in den Wald laufen.
Unsere Empfehlungen: Life is Peachy (7A+), Engard (6b)

Life is Peachy (7A+) am Sjöstenen
Alles Wichtige auf einen Blick:
Anreise: Wir sind mit dem Auto nach Rostock gefahren und dann weiter mit der Fähre nach Trelleborg (ca. 6,5 Stunden), von dort sind es noch ca. 5 Stunden mit dem Auto – wer mit dem Flugzeug anreist, fährt mit einem Mietauto von Stockholm ca. 3,5 Stunden.Unterkunft: Der Campingplatz Lysingsbadet liegt idyllisch am Wasser. Wir hatten eine Airbnb Unterkunft bei Almvik. Dank des Jedermannsrechts darf man in Schweden wildcampen – doch auch hier gibt es Regeln (Jedermannsrecht).
Beste Zeit: März bis Mai und September bis Oktober
Einkaufen: Es gibt viele Supermärkte in Västervik, die auch Sonntags geöffnet haben
Guides: Västervik Bloc (von Lorenz Ulmer), vastervikclimbing.se
Good to know: Wir haben keine einzige schwedische Krone gebraucht – man kann wirklich alles mit Karte bezahlen. Mückenspray ab Mai nicht vergessen. Unbedingt Kanelbullar probieren.
Pausentage: Kajakverleih, Astrid Lindgren Welt, immer Sonntags Fika im Café Almvik, typisch schwedisch Second Hand Shopping, z.B. bei Busfrö Västervik
Vokabeln: Hej (Hallo), Hej då (sprich: Hejdo – Tschüss), Tack (Danke), Kom igen (sprich: komm ijen – so feuert man auf Schwedisch an)

Vicky
Jahrgang: 1993
klettert seit: 2014
arbeitet: VWL-Studium und nebenbei in der Boulderhalle als Trainerin
mag: Crimps, hohe Hooks, geputzte Griffe, dunkle Schoki, Kaffee
mag nicht: Untergriffe, kalte oder nasse Felsen, Kompressionsboulder, zu wenig Fingerhaut
mag manchmal: Dynos, weite Züge
aufgewachsen: in Moosburg a.d. Isar, wohnt jetzt in Bamberg
kletterte: Zwei 7cs, z.B. Red Line im Frankenjura
boulderte: Eine 7C, Warhammer im Frankenjura
Tim
Jahrgang: 1994
klettert seit: 2010
arbeitet: Informatik-Studium – es fehlt nur noch die Masterarbeit
mag: Dynos, Crimps, klare Boulder, entspannte Klettertrips
mag nicht: definierte Boulder, Mantels, Patschboulder, lange Zustiege
mag manchmal: Seilklettern